Ferkel in konventioneller Haltung

Nationalratswahl 2024

Wir geben OrienTIERung und veranschaulichen, wie die antretenden Parteien zum Tierschutz stehen. #NRwahl24

2.9.2024

Ende September – am Sonntag, den 29.09.2024 – ist es so weit: Die Österreicher:innen wählen einen neuen Nationalrat. Diese Wahl entscheidet, wie viele Abgeordnete die Parteien im Parlament jeweils vertreten und welche Mehrheiten sich daraus ergeben. Im Anschluss an die Wahl wird eine neue Regierung gebildet. 

Wer auf der Regierungsbank sitzt und wie die Mehrheitsverhältnisse im Parlament verteilt sind, hat auch enorme Auswirkungen für den Tierschutz. Denn wie es sogenannten Nutztieren, Wildtieren und Heimtieren in Österreich geht, wird in Gesetzen und Verordnungen geregelt, die Abgeordnete und Ministerien beschließen. Darum ist Tierschutz auch immer politisch.  

Wir möchten daher allen Wähler:innen einen Überblick geben, wie die einzelnen Parteien zu Tierschutzthemen stehen. Dafür haben wir allen neun bundesweit zur Nationalratswahl antretenden Parteien einen detaillierten Fragenkatalog geschickt. Folgende Parteien wurden befragt:

  • Karl Nehammer – Die Volkspartei (ÖVP)  
  • Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) 
  • Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) 
  • Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)  
  • NEOS – Die Reformkraft für dein neues Österreich (NEOS) 
  • Kommunistische Partei Österreichs – KPÖ Plus (KPÖ)  
  • Keine von denen (KEINE) 
  • Die Bierpartei (Bier) 
  • Liste Madeleine Petrovic (LMP)  

Dabei gab es die Antwortmöglichkeiten "Ja", "Nein" und "keine Angabe". Zudem haben wir den Parteien die Möglichkeit gegeben, ihre Antworten zu kommentieren. Die Kommentare können Sie unserem ausführlichen Bericht entnehmen.

Fragebogen an die Parteien zur NR-Wahl 2024

Fragebogen an die Parteien zur NR-Wahl 2024

Alle Fragestellungen, Antworten und Kommentare im Detail.

Als einzige Partei hat die ÖVP - die bekannterweise das Landwirtschaftsministerium innehat - trotz mehrerer Nachfragen nicht reagiert und unseren Fragebogen nicht beantwortet. Alle anderen Parteien haben unseren Fragen vollständig beantwortet.  

Sauen in Kastenständen

Welches Tierschutz-Thema ist den Parteien am wichtigsten?

Zusätzlich wurden alle Parteien darum gebeten anzugeben, welches Tierschutzproblem aus ihrer Sicht in Österreich am dringendsten gelöst werden muss.

Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) 

Standards der landwirtschaftlichen Nutztiere müssen endlich erhöht werden.

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) 

Verbot des Schächtens und Unterbinden des illegalen Tierhandels vor allem bei Hunden aus dem Ausland. 

Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)  

Das Verbot der Vollspaltenbuchten in der Schweine- und Rinderhaltung muss ehestmöglich, gemeinsam mit einem neuen Haltungsstandard mit Stroh und Auslauf, beschlossen werden. 

NEOS – Die Reformkraft für dein neues Österreich (NEOS) 

Das Ende der Vollspaltenböden bei Schweinen und auf längere Sicht auch bei Rindern sollte dringend angegangen werden. 

Kommunistische Partei Österreichs – KPÖ Plus (KPÖ)

Die Zustände in der sogenannten landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (Haltung: Vollspaltenbodenverbot, mehr Platz, Beschäftigungsmöglichkeiten etc., Verbot von Qualzuchten).

Keine von denen (KEINE) 

Jährliche, unangekündigte Kontrollen von Tierhaltungsbetrieben durch eine unabhängige Stelle (nicht vom Tierarzt, der den Betrieb betreut). Heute werden Betriebe statistisch alle 50 Jahre kontrolliert.

Die Bierpartei (Bier)

Verbot von Vollspaltenböden (bei Schweinen wie auch bei Rindern)

Liste Madeleine Petrovic (LMP) 

Mitsprache von Tierschutzorganisationen im Vollzugsbeirat und Einsicht in alle Unterlagen (Transparenz). Die Aarhus-Konvention muss endlich eingehalten werden (Parteistellung in Verfahren)!

Fragebogen an die Parteien zur NR-Wahl 2024

Die Kommentare entnehmen Sie bitte dem weiter oben verlinkten PDF.

Welche Tierschutz-Themen haben wir abgefragt?

Unsere Fragestellungen erstreckten sich von der heimischen Nutztierhaltung und Tiertransporten über Haustiere bis hin zur Regelung der Wildtierhaltung.

Vollspaltenböden in der Schweine- und Rinderhaltung

Etwa 70 % der in Österreich gehaltenen Schweine und Maststiere fristen ihr Leben auf Vollspaltenböden. Trotz des Verbots der Haltung von Mastschweinen auf klassischen „unstrukturierten“ Vollspaltenböden (die Frist bis zum Auslaufen dieser Haltungsform wird noch verhandelt) ist die Haltung auf „strukturierten“ Vollspaltenböden für Neu- und Umbauten seit 2023 weiterhin erlaubt: Dieser „Vollspaltenboden 2.0” hat lediglich in einem Drittel der Buchtenfläche weniger Spaltenanteil. Das bedeutet für die Schweine immer noch ein Leben auf harten Betonböden ohne Einstreu, direkt über ihren eigenen Fäkalien. Schweine und Rinder leiden unter Gelenksentzündungen, Lungenkrankheiten, ausgelöst durch die Ammoniakdämpfe, sowie Verhaltensstörungen. Das Ausleben der arttypischen Verhaltensweisen ist für die Tiere auf solchen Böden unmöglich.   

Betäubungslose Ferkelkastration

Rund 2,2 Millionen männliche Ferkel werden jährlich in Österreich unter erheblichen akuten (und danach länger andauernden) Schmerzen und unter großem Stress ohne Betäubung kastriert. Eine Inhalationsnarkose ist zwar mittlerweile erlaubt, allerdings lediglich auf freiwilliger Basis. Aus Tierschutzsicht ebenfalls inakzeptable Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration sind die ausschließliche Anwendung von Schmerzmitteln bzw. nur einer Lokalanästhesie.   

Lebendtiertransporte

Jährlich werden über 1,5 Milliarden Stück Geflügel und 46 Millionen Schafe, Ziegen, Pferde, Schweine und Rinder innerhalb der EU und in Drittländer transportiert, aus Österreich werden rund 25 Millionen Tiere jährlich exportiert. Tagtäglich kommt es auf Langstreckentransporten innerhalb und außerhalb der EU zu eklatanten Tierschutzverstößen. Die Tiere leiden unter Durst, Hunger, Erschöpfung, übermäßiger Hitze und Platzmangel. Zwar ist die direkte Verbringung von Schlacht- und Masttieren von Österreich in EU-Drittländer mittlerweile verboten, allerdings werden jährlich tausende Zuchttiere exportiert. In diesen Staaten sind weder die klimatischen Bedingungen geeignet noch können adäquate Tierschutz-Standards gewährleistet werden. Die Schlachtung in den meisten Drittstaaten entspricht nicht den EU-Vorschriften und ist äußerst grausam.   

Nicht abgesetzte Jungtiere sind Tiere, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind. So werden etwa jährlich tausende Kälber schon im Alter von nur drei Wochen von Österreich bis nach Italien oder Spanien transportiert, um dort gemästet zu werden. Da die Transportfahrzeuge nicht für das Tränken und Füttern der Jungtiere ausgestattet sind, leiden sie extremen Durst und Hunger. Viele sterben während des Transports oder auch Tage oder Wochen danach infolge der Strapazen.    

Haltungs- und Herkunftskennzeichnung von Produkten tierischen Ursprungs in der Gastronomie, im Lebensmitteleinzelhandel und in der öffentlichen Beschaffung

Die Mehrheit der Österreicher:innen wünscht sich eine transparente Kennzeichnung zusätzlich zur Herkunft auch nach der Haltungsform der Tiere. Die Lösung liegt in einer umfassenden Kennzeichnungspflicht von Haltungsstandards und Herkunft von Lebensmitteln tierischen Ursprungs – flächendeckend für alle Bereiche, vom Lebensmitteleinzelhandel über die Gemeinschaftsverpflegung bis hin zur Gastronomie.  

Rabattaktionen und faire Entlohnung von Landwirt:innen für Produkte tierischen Ursprungs

Der Handel lockt immer wieder mit Billigfleischangeboten – diese begünstigen eine billige Massenproduktion und zementieren Tierleid unter niedrigen Haltungsstandards. Nicht nur die Tiere, sondern auch die heimischen Landwirt:innen leiden unter dem Preis-Dumping. Je mehr sie unter Druck geraten, desto weniger können sie in Tierwohl investieren

Tierauftritte in Zirkussen

Wildtiere in Zirkussen sind in Österreich bereits verboten, ab 1. Juli 2026 werden es auch Kamele und Wasserbüffel sein. Aus Tierschutzsicht sollte allerdings der Einsatz aller Tierarten in Zirkussen verboten werden, auch sogenannter Nutztiere und Heimtiere.  

Tierschutz während der Schlachtung

Viele Betäubungsverfahren, die vor der Schlachtung angewendet werden, wie die Wasserbadbetäubung bei Geflügel und die CO₂-Betäubung bei Schweinen, haben schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Wohlergehen der Tiere. Aus Tierschutzsicht ebenso inakzeptabel ist die Schlachtung ohne Betäubung (auch bei rituellen Schlachtungen), sowie beim Geflügel die Tötungsmethode „Genickbruch/Zervikale Dislokation" ohne vorherige Betäubung oder das „Abtrennen des Kopfes" ohne vorherige Betäubung.

Bundesweite Positivliste für Wildtiere in Privathaltung

Ein Instrument, um den Handel und die Haltung von Wildtieren zu regulieren, ist eine sogenannte Positivliste, die anhand von Kriterien festlegt, welche Tierarten für den Handel und die Privathaltung geeignet sind. Alle Tierarten, die nicht auf der Positivliste vorkommen (inkl. Subspezies und Hybride), sind für die Privathaltung automatisch verboten.

Kutschfahrten in innerstädtischen Gebieten

Lärm, Menschenmassen, Auspuffgase, hektischer Innenstadtverkehr, kein ständiger Zugang zu Wasser und Raufutter, und das bei jedem Wetter: Die Innenstadt ist alles andere als eine artgemäße Umgebung für Pferde. 

Pelzfarmen sowie ein Import- und Verkaufsverbot von Pelzprodukten in die/der EU

Millionen von Wildtieren leben eingesperrt in winzigen Käfigen, nur um brutal für ihr Fell getötet zu werden. 2022 wurde eine Europäische Bürgerinitative gestartet, die innerhalb von weniger als zehn Monaten von über 1,7 Millionen Bürger:innen unterschrieben wurde. In 21 Mitgliedsstaaten wurden die nationalen Schwellenwerte erreicht. Die Europäische Bürgerinitative forderte die EU auf, nicht nur die Pelztierzucht zu verbieten, sondern auch den Verkauf von Zuchtpelzen in Europa.  

Inserieren von Hunden und Katzen auf Online-Plattformen

Dies inkludiert die Forderung, dass Kleinanzeigen-Plattformen Verkaufsinserate von Hunden und Katzen erst schalten dürfen, wenn sowohl die Identität der Verkäufer:innen als auch die jeweiligen Registrierungen der beworbenen Tiere (laut Heimtierdatenbank) überprüft wurden. Der illegale Welpenhandel, geprägt von Tierquälerei und Betrug, floriert auf anonymen Verkaufsplattformen, wo kranke und traumatisierte Welpen aus dubiosen Quellen verkauft werden.    

Mindeststandards für die Zucht von Hunden und Katzen

Derzeit unterliegen sogenannte Hobbyzüchter:innen weder verpflichtenden, regelmäßigen Kontrollen durch die Behörden, noch müssen sie spezifische Zucht- und Haltungsstandards erfüllen. Dies ermöglicht es illegalen Welpenhändler:innen, unter dem Deckmantel der Hobbyzucht unkontrolliert zu agieren.   

Verbot des Beiß- und Angriffstrainings für private Hundehalter:innen 

Das Beiß- und Angriffstraining, das auf Menschen gerichtet ist, fördert bei Hunden Verhaltensweisen wie Anbellen und Angreifen, die im Alltag in unserer Gesellschaft unerwünscht sind. Aufgrund des erhöhten Erregungs- und Stresslevels kann nie vollständig ausgeschlossen werden, dass das Aggressionsverhalten der Hunde verstärkt wird. Als Alternative stehen Privatpersonen zahlreiche Methoden und Sportarten zur Verfügung, die Hunde nachweislich artgerecht auslasten.

Qualzuchtverbot

Trotz des bereits bestehenden Qualzuchtverbots gibt es weiterhin Ausnahmen, welche die Zucht von Tieren und Rassen mit Qualzuchtmerkmalen ermöglichen. Zudem mangelt es an bundesweit einheitlichen und klar definierten Umsetzungsmaßnahmen für die entsprechenden Paragrafen. 

Wahlprogramme: Wie stehen die Parteien zum Tierschutz?

Wir haben auch die einzelnen Wahlprogramme der Parteien unter die Lupe genommen. Hier sehen Sie eine kurze Zusammenfassung, was die jeweiligen Parteien zu Tierschutz schreiben. In den Programmen der ÖVP sowie der Bierpartei konnten wir keine Tierschutzthemen auffinden.

ParteiTierschutz im Wahlprogramm
ÖVP
  • Kein Tierschutz im Wahlprogramm enthalten
SPÖ
  • Förderung von Produkten mit hohen Tierschutzstandards
  • Unterstützung der Landwirtschaft, um neue Auflagen zu erfüllen
  • Bioprodukte für öffentliche Kantinen, Schulen und Horte
  • Kennzeichnung nach Haltung
  • Verbot von „langen” Lebendtiertransporten
FPÖ
  • Vermeidung von internationalen Lebendtiertransporten
  • Verbot von Schächten
  • Strenge Regeln und Kontrollen beim Import von Haustieren
  • Qualzucht verhindern, inklusive des Imports von Qualzucht
  • Gebrauchshundesport erhalten
Grüne
  • Kennzeichnung nach Herkunft und Haltung
  • Haltungsbedingungen, dass Tiere ihre natürliche Verhaltensweise ausleben können
  • Häufigere, gezielte und unangekündigte Kontrollen
  • Exportverbot lebender Tiere in Drittstaaten und ein Transportverbot für zu junge Tiere
  • Weniger und deutlich kürzere Tiertransporte
  • Schlachtungen direkt am Haltungsbetrieb müssen besser beworben, erleichtert und ausgeweitet werden
  • One-Health Ansatz um Antibiotikaeinsatz zu reduzieren
  • Ausbau und die öffentliche Förderung von Herdenschutzmaßnahmen
  • Tierversuche minimieren
  • Einführung eines Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzvereine
NEOS
  • Tiertransporte reduzieren
KPÖ
  • Verbot von Vollspaltenböden (Schweine und Rinder)
  • Bundesweites Jagdgesetz mit Tierschutz
KEINE
  • artgerechte Tierhaltung
BIER
  • Kein Tierschutz im Wahlprogramm enthalten
LMP
  • Mehr Rechte für Tierschutzorganisationen
  • Verbot von Tierversuchen
  • Liste mit bedrohten Tierarten aktualisieren
  • Strengeres Gesetz zu Fang, Handel und Haltung von Wildtieren
  • Qualzuchtverbot von Heimtieren und Nutztieren
  • Grenzen in der Massentierhaltung
Junge Rinder auf Lebendtiertransport

Fazit des VIER PFOTEN Wahlchecks

Grundsätzlich sprechen sich die meisten Parteien klar für den Tierschutz aus. Während die ÖVP unseren Fragenkatalog nicht beantwortet hat, machten die SPÖ und die NEOs am häufigsten „keine Angabe“ zu einzelnen Themen. Auch der Blick in die Wahlprogramme zeigt ganz klar, welchen Fokus, wenn überhaupt, sich die Parteien im Tierschutz setzen. Die SPÖ und die Grünen fordern unter anderem eine Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln nicht nur nach Herkunft, sondern auch nach Haltung. Auch Lebendtiertransporte sind für viele Parteien in den Wahlprogrammen ein Thema, wie etwa für die SPÖ, FPÖ, NEOS und Grüne. Auffallend war auch, dass bei der offenen Frage das Vollspaltenverbot für vier Parteien, nämlich Grüne, NEOS, KPÖ und die Bierpartei, das dringendste Tierschutzthema in Österreich ist.  

In der letzten Legislaturperiode gab es zwei Tierschutznovellen, mit denen das Tierschutzgesetz überarbeitet wurde. Trotz zahlreicher Verbesserungen gab es auch viele Versäumnisse und in manchen Bereichen sogar eindeutige Verschlechterungen.  

Wie es für den Tierschutz nach der Wahl weitergeht, wird sich erst zeigen. Es wird an der nächsten Regierung liegen, Tierschutzmängel in Österreich zu adressieren. Die Erfahrung aus den letzten Jahren hat jedoch gezeigt, dass es vor den Wahlen meist Bekenntnisse gibt, die schon kurz nach der Wahl nicht mehr relevant sind. Allzu oft wird einfach das Argument vorgeschoben, dass Österreich „bereits Vorreiter im Tierschutz” sei. 

Forderungen zur Verbesserung des Tierwohls in Österreich

Forderungen zur Verbesserung des Tierwohls in Österreich

Im vorliegenden Forderungskatalog an die neue Bundesregierung haben wir uns auf die dringendsten Probleme bei der Haltung von Nutz-, Heim- und Wildtieren beschränkt. Zum einen geht es hierbei um gesetzliche Veränderungen bzw. einen strengeren Vollzug bestehender Vorschriften, zum anderen um den zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln und öffentlichen Geldern.

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