Essen auf einem Tisch im Restaurant

Öffentliche Beschaffung tierischer Produkte

Öffentlichen Einrichtungen kommt eine besondere Verantwortung zu. Sie haben einerseits mit ihrer Kaufkraft viel Einfluss auf den Markt, andererseits selbstverständlich auch eine gewisse Vorbildwirkung auf die Bürgerinnen und Bürger. Mensen, Kantinen & Co. spielen daher eine wichtige Rolle im Tierschutz.

Rund 41 Prozent der täglich zugeführten Energie nehmen die Österreicherinnen und Österreicher außer Haus zu sich¹. Einige der wichtigsten und größten Abnehmer von tierischen Produkten sind öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Mensen an Universitäten, Altersheime und Krankenhäuser. Etwa 1,8 Millionen Essen werden pro Tag in der österreichischen Gemeinschaftsverpflegung ausgegeben². Durch das große Auftragsvolumen tragen öffentliche Einrichtungen eine wichtige Verantwortung den Tieren, Produzenten und Konsumenten gegenüber. 

Freilandschweine in Deutschland

Warum kommt öffentlichen Einrichtungen eine besondere Verantwortung zu?

Das Wohl der Tiere ist ein anerkanntes öffentliches Interesse. Gerade öffentliche Einrichtungen haben daher eine große Verantwortung, dem Tierwohl in ihrer Einkaufspolitik Rechnung zu tragen. Gleichzeitig können sie damit eine ausgewogene Ernährung und die Gesundheit der Menschen fördern. 

Ein Beispiel: Die Empfehlung für Fleischverzehr pro Kopf und Woche liegt in Österreich bei maximal 300 bis 450 g³. In der Realität werden jedoch 1,3 kg pro Kopf und Woche verzehrt⁴. Die Produktion tierischer Lebensmittel, v.a. von Fleisch, hat gravierende Folgen für Umwelt und Klima. Kaum ein anderes Lebensmittel benötigt so viele Ressourcen in der Herstellung. Wie eng Tier- und Klimaschutz zusammenhängen können Sie hier nachlesen. 

Durch geeignete Maßnahmen können öffentliche Einrichtungen das Wohl sehr vieler Tiere verbessern, die österreichische Landwirtschaft schützen und fördern, zum Klimaschutz beitragen und als Vorbild fungieren, wie verantwortungsbewusst mit öffentlichen Mitteln agiert wird.

Wie funktioniert die öffentliche Beschaffung?

Öffentliche Einrichtungen beschaffen Lebensmittel über öffentliche Ausschreibungen. Öffentlich ausgeschrieben wird ab den sogenannten Schwellenwerten, die in der EU bei Dienstleistungs- und Lieferaufträgen bei 144.000€ (zentrale Regierungsbehörden) bzw. 221.000€ (subzentrale öffentliche Auftraggeber) liegen. In öffentlichen Ausschreibungen findet die Qualität der Produkte meist nur in den sogenannten Zuschlagskriterien Beachtung. Allerdings gibt es keine Vorgaben, mit welcher Gewichtung Zuschlagskriterien ausgeschrieben werden sollen.

So kann es z.B. vorkommen, dass eine Stadt 400.000 kg Fleisch für ihre Kindergärten bestellt, die Qualität der Produkte (z.B. biologische Erzeugung) aber nur mit 10 Punkten und den Preis mit 90 gewichtet. Qualitätskriterien können allerdings als sogenannte „technische Spezifikation“ in den Ausschreibungskriterien verankert werden. Technische Spezifikationen sind Qualitätskriterien, die jedes Angebot erfüllen muss. Zum Beispiel kann bei Schaleneiern die Haltungskennzeichnung 0 (Biohaltung) oder 1 (Freilandhaltung) als technische Spezifikation verlangt werden, um höheres Tierwohl zu gewährleisten.

In Österreich werden jährlich Güter und Dienstleistungen der öffentlichen Hand in Höhe von rund 60 Milliarden Euro oder etwa 18% des BIP eingekauft. In den öffentlichenAusschreibungen gilt das Best-Angebots-Prinzip, wonach nicht mehr der Preis das einzige Zuschlagskriterium sein soll. Allerdings ist auch hier dem Bieter selbst überlassen, wie hoch er andere Kriterien gewichtet. In Ausschreibungen im Unterschwellenbereich (bei öffentlichen Auftraggebern unter 135.000€, bei allen anderen unter 209.000€) gilt das Best-Angebots-Prinzip nicht zwingend. Jedoch ist die öffentliche Beschaffung kein Selbstzweck und steht in der Pflicht, den Interessen der Gesellschaft nachzukommen.

Warum ist Tierschutz in der öffentlichen Beschaffung so wichtig?

  • Tierschutz ist ein öffentliches Interesse: Regierungen haben daher gegenüber Bürgerinnen und Bürgern die Verantwortung, diesem Interesse in ihrer Politik nachzukommen.
  • Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger: Ernährungsrichtlinien von z.B. Gesundheitsministerien oder fachlich anerkannten Institutionen sehen in Europa aus gesundheitlichen Überlegungen eine drastische Reduktion des durchschnittlichen Konsums tierischer Produkte vor. Es liegt in der Verantwortung von öffentlichen Einrichtungen, zum Wohle der Bevölkerung diesen Empfehlungen Folge zu leisten und zu einem geringeren Fleischkonsum beizutragen.
  • Der Schutz unserer Umwelt: Die Tierhaltung, insbesondere in der konventionellen Landwirtschaft, belastet die Umwelt enorm. Eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte und eine biologische sowie tierwohlfreundliche Landwirtschaft helfen bei der Erreichung der Klimaziele.

Gerade, wenn es um so sensible Bereiche wie Schulen, Krankenhäuser etc. geht, haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein Recht auf Produkte, die den ethischen Anforderungen unserer Gesellschaft entsprechen. Sie haben außerdem ein Recht auf Gesundheit und den Schutz ihrer Umwelt. Tierschutz darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Er muss auch gelebt werden – vor allem von denen, die Verantwortung tragen.

Was würde eine Reduktion der tierischen Produkte in öffentlichen Einrichtungen bewirken?

Das Potenzial einer nachhaltigen Beschaffung von Lebensmitteln ist riesig. In einer Schweizer Studie wurde das Potenzial der Umstellung auf eine ökologische Beschaffung in verschiedenen Sektoren evaluiert. Neben Fahrzeugen, Reinigungsmitteln, Straßenleuchten oder Strom wurden auch Lebensmittel verglichen. Hier wurden die ökologischen Auswirkungen der Umstellung von konventionellen Fleischmenüs auf vegetarische Varianten dieser Mahlzeiten verglichen. Es wurde gezeigt, dass diese Umstellung zu einer sehr hohen Klimaentlastung führen würde, die jene aller anderen Produktgruppen massiv übersteigt. Aber nicht nur die Umwelt und die Tiere würden geschont, auch die Kosten für die Mahlzeiten könnten verringert werden. Die Umstellung auf eine ökologische Beschaffung im Bereich Nahrungsmittel kann damit kostenneutral umgesetzt werden. Es kann sogar mehr als in allen anderen Kategorien eingespart werden. Auch wenn sich die Präferenzen in der öffentlichen Beschaffung von Lebensmitteln nur teilweise in Richtung pflanzlicher Menüs verschieben würden oder der Fleischanteil in den Gerichten reduziert würde, könnten immer noch enorme Mengen an Treibhausgasen eingespart, Tiere vor Leiden bewahrt und die Gesundheit der Menschen gefördert werden.

Fazit: Die öffentliche Hand (Bund, Länder und Gemeinden) beschafft mit öffentlichen Geldern in Milliardenhöhe große Mengen tierischer Lebensmittel, u.a. für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Seniorenwohnheime, Kantinen, Militär etc. Damit verfügt die öffentliche Hand über einen Hebel, mit dem sie die Entwicklung der Landwirtschaft maßgeblich mitbestimmt – auch in Richtung mehr oder weniger Umwelt-und Tierschutz. Ergo muss die öffentliche Auftragsvergabe bei der Verfolgung gesellschaftlicher und ökologischer Ziele zukünftig eine zentrale Rolle spielen.

Seitdem VIER PFOTEN im Jahr 2019 die #WhatTheFood-Kampagne gelauncht hat arbeiten wir laufend mit Stakeholdern aus der öffentlichen Beschaffung zusammen, um für mehr Tierwohl in Österreichs Mensen, Kantinen und Co. zu sorgen!

Freilandrind in Österreich

VIER PFOTEN Fordert

  • Die Beschaffung von tierischen Lebensmitteln mit öffentlichen Geldern soll an die Einhaltung von Tierschutzstandards in der Produktion geknüpft werden.
  • Zudem sollte das Angebot an vegetarischen und veganen Speisen ausgeweitet werden und allgemein weniger tierische Produkte, dafür aus besseren Haltungsbedingungen, angeboten werden.
  • Transparente Kennzeichnung nach Herkunft und Haltung bei tierischen Produkten.
Die öffentliche Beschaffung von tierischen Produkten

Die öffentliche Beschaffung von tierischen Produkten

Noch mehr Informationen erfahren Sie in unserem Bericht.

Quellenverweis

¹ https://www.oesterreich-isst-informiert.at/industrie/lebensmittelkonsum-so-isst-oesterreich/#:~:text=Heute%20entfallen%20etwa%2012%20Prozent,sogar%20nur%209%2C7%20Prozent
² Gruber, A. und Holler, C., 2017: Einsatz von regionalen Qualitätslebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung. Studie von BIO AUSTRIA und VQL. http://www.bio-austria.at/app/uploads/Studie_GV_BIO-AUSTRIA_VQL.pdf
³ https://www.ages.at/themen/ernaehrung/oesterreichische-ernaehrungspyramide/
⁴ https://de.statista.com/statistik/daten/studie/287345/umfrage/pro-kopf-konsum-von-fleisch-in-oesterreich/

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