Kompetenz-Wirrwarr und mangelnde Kontrollen: Rechnungshofbericht zeigt Missstände in Österreichs Landwirtschaft auf
VIER PFOTEN: Förderungen trotz krasser Fälle von Tierquälerei durch ineffizientes System
Wien - Ein heute veröffentlichter Bericht des Rechnungshofs zeigt, wie ineffizient österreichische Behörden arbeiten, wenn es um Förderungen und Kontrollen von landwirtschaftlichen Betrieben geht. Dadurch würden Fälle von Missständen in der Tierhaltung oft übersehen – und die betroffenen Betriebe teilweise weiter mit öffentlichen Geldern aus der EU oder aus dem nationalen Budget gefördert, heißt es in dem Bericht. VIER PFOTEN stimmt den aufgezeigten Versäumnissen durch den Rechnungshof vollinhaltlich zu; die Tierschutzorganisation weist auf diese Probleme bereits seit Jahren hin.
„Dieser Kompetenz-Wirrwarr ist verantwortlich für ein ineffizientes System und ein Chaos, wenn es um Förderungen und Kontrollen landwirtschaftlicher Betriebe in Österreich geht. Zuständigkeiten in der Tierhaltung sind auf EU-, Bund-, Länder- und Bezirksebene verteilt. Das heißt: Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Wichtige Informationen werden häufig zwischen den Behörden nicht weitergegeben und dadurch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bzw. die Tierhaltungsverordnungnicht aufgedeckt. Am Ende sind dann die Tiere die Leidtragenden dieses Systems“, sagt VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck.
Völlig inakzeptabel für VIER PFOTEN ist auch die Tatsache, dass es die beiden geprüften Bundesländer Steiermark und Oberösterreich nicht einmal schaffen, die lächerlichen zwei Prozent der vorgeschriebenen jährlichen Kontrollquote von Betrieben einzuhalten. „Zwei Prozent – das bedeutet, dass im Durchschnitt jeder Betrieb ein Mal in 50 Jahren kontrolliert wird. Und nicht einmal das schaffen die beiden Bundesländer durchgängig. Das ist wirklich ein Skandal und lässt nur erahnen, wie es in den restlichen Bundesländern zugeht. Und der Wahnsinn ist, dass – wie der Rechnungshof schreibt - den Ländern und dem Gesundheitsministerium nicht ausreichend bekannt war, wie viele landwirtschaftlichen Betriebe es überhaupt gibt; damit konnten sie die Einhaltung der zweiprozentigen Kontrollquote nicht sicherstellen“, so Weissenböck. VIER PFOTEN fordert verpflichtende unangekündigte Kontrollen für jeden tierhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb mindestens ein Mal im Jahr.
Auch die Kommunikation zwischen AMA und den Behörden ist mangelhaft. Im Bericht heißt es: „Die AMA wurde von den zuständigen Behörden nicht wie vorgesehen zuverlässig über den rechtskräftigen Ausgang von Strafverfahren bei tierschutzbezogenen Verstößen informiert. Das kann dazu führen, dass Betriebe – auch wenn sie schwere Tierschutzverstöße begehen – Förderungen in ungekürzter Höhe weiterhin kassieren.“ Weissenböck weist auf einen besonders schweren Fall von Tierleid im Bezirk Vöcklabruck hin, bei dem der Landwirt AMA-Förderungen erhielt, obwohl bereits krasse Verstöße bei der Haltung seiner Rinder bekannt waren. Die 105 Rinder waren in so einer schlechten Verfassung, dass fast alle behördlich getötet werden mussten. Der Bauer erhielt 24.300,- Euro jährlich an AMA-Förderungen - davon über 4.250,- Euro für Tierschutzmaßnahmen! „Das ist schlichtweg ein Skandal und ein grobes Versäumnis der Behörden“, kritisiert Weissenböck.
VIER PFOTEN sieht außerdem das System der Amtstierärzt:innen, die Betriebe im Bezirk, für den sie zuständig sind, kontrollieren müssen, als reformbedürftig. Weissenböck: „Oft müssen die Amtstierärzte Landwirt:innen kontrollieren, die sie gut kennen. Es ist verständlich, dass man eine Beißhemmung hat, Verstöße eines Betriebes zu melden, wenn man mit dem Bauern wöchentlich beim Stammtisch zusammensitzt oder man mit ihm gemeinsam in der Volksschule war. Es braucht unabhängige Kontrollen und ausreichend Personal – die Prüfer:innen sollten kein persönliches Naheverhältnis mit den Personen haben, die sie kontrollieren müssen.“
Weiters heißt es im Bericht des Rechnungshofs: „Durch die Kompetenzzersplitterung entstanden Probleme bei der Vollziehung des Tierschutzes und der Weitergabe von Informationen. Diese Probleme zeigten sich vor allem bei der Sicherstellung der Einhaltung der nationalen Tierschutzbestimmungen.“ Denn es gibt zwar das vom Gesundheitsministerium beauftragte und durch die Statistik Austria errichtete Verbrauchergesundheitsinformationssystem (VIS), das als elektronische Datenbank zur zentralen Verwaltung von Informationen tierhaltender Betriebe enthält. Allerdings gibt es darin keine “gesamthafte Informationen über allfällige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz”, schreibt der Rechnungshof.
Dazu sagt Weissenböck: „Dass es keine Datenbank gibt, bei der zentral alle Fälle von Verstößen gespeichert werden und alle zuständigen Behörden darauf Zugriff haben, ist ein Riesenproblem, das letztendlich für den völlig mangelhaften Vollzug der Tierschutzgesetzgebung mitverantwortlich ist. Das muss sich schleunigst ändern. Sonst werden wir weiterhin von Missbräuchen in der Tierhaltung erfahren, wenn es längst zu spät ist für die Tiere.“
Für VIER PFOTEN ist der Bericht ein wichtiger Weckruf für Österreich. „Wir sind dem Rechnungshof dankbar, dass er diese weitreichenden Probleme so umfangreich aufgegriffen hat. Hier liegt einiges im Argen. Daher liegt der Ball bei der kommenden Regierung, die unbedingt diese inakzeptablen Mängel im System beseitigen muss“, fasst es VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Weissenböck zusammen.
Mag. Elisabeth Penz
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VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freund:innen in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemäßer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen. Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen.
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