Mastrinderhaltung: Körperliche Schäden aufgrund des harten Bodens
Obwohl die 1. Tierhaltungsverordnung vorschreibt, dass die Böden, auf denen Rinder gehalten werden, so gestaltet sein müssen, dass den Rindern keine Verletzungen und Schmerzen entstehen¹, ist die Haltung von Mastrindern auf Beton-Vollspaltenböden gang und gäbe.
Tiere, die auf den harten Beton-Vollspaltenböden leben, zeigen deutliche Veränderungen in ihren natürlichen Verhaltensweisen. Sie werden so stark eingeschränkt, dass sie ihre natürlichen Körperbewegungen und ihr artgemäßes Verhalten nicht ausleben können. Grund dafür sind die Auswirkungen, die der harte Boden auf die Haut, die Klauen und auch die Gelenke hat. Beinahe alle Rinder zeigten bei Untersuchungen schmerzhafte Veränderungen an den Gelenken, Klauen und an der Schwanzspitze. Durch die Schmerzen, die die Tiere erleiden, vermeiden sie gewisse Bewegungen und sind weniger aktiv.
Haut- und Gelenksverletzungen
Die Einschränkungen, die die Tiere haben, zeigen sich unter anderem beim Aufstehen und Hinlegen – Bewegungen, die im Leben eines Rinds mehrmals am Tag notwendig sind. Beim rindertypischen Hinlegen und Aufstehen lastet viel Gewicht auf den vorderen Gelenken, den sogenannten Karpalgelenken.
Rindertypisches Hinlegen und Aufstehen
Beim Ablegen winkeln die Tiere zuerst die Vorderbeine ab und gehen in den sogenannten Karpalstütz, dann trippeln sie mit den Hinterbeinen und lassen die Hinterhand fallen. Dabei fallen ihre Kniegelenke aus einer Höhe von ca. 20 bis 30 cm auf den Untergrund2. Beim Aufstehen wippen Rinder nach vorne oben, um dann mit Schwung auf die Hinterbeine und auch wieder in den Karpalstütz zu kommen. Danach werden die Vorderbeine aufgestellt. Durch diese Bewegungsabfolge bekommen die Karpal- und Kniegelenke auf dem unnachgiebig harten Betonboden einen übermäßigen Druck durch das Körpergewicht der Tiere ab.
Es kann beobachtet werden, dass das Hinlegen bei den Rindern, die auf Vollspaltenböden gehalten werden, länger dauert und oft mehrere Anläufe erfordert, da das Abrollen des Körpergewichts über die Gelenke auf dem Betonboden Schmerzen bereitet4, 5, 6, 7. Über kurz oder lang entstehen Gelenks- und Schleimbeutelentzündungen, die unter den vorherrschenden Gegebenheiten und der täglichen Beanspruchung auf dem harten Boden kaum eine Chance haben abzuheilen. Die Tiere rutschen auf dem Betonboden auch immer wieder aus und können sich durch Stürze auf den harten Boden Verletzungen zuziehen4, 5, 7, 8.
Je schwerer die Tiere werden und je größer ihre Körper sind, desto schwieriger scheint der Wechsel für sie zwischen Liegen und Stehen am harten Boden. Rinder, die auf reinen Beton-Vollspaltenböden ohne Einstreu oder Gummimatten gehalten werden, legen sich deutlich weniger oft hin als Tiere, die auf einem weichen Untergrund leben7. Die Anzahl der Wechsel zwischen Liegen und Stehen nimmt ab9, 6. Der Härtegrad des Bodens und auch das zunehmende Gewicht, vor allem bei den schweren Maststieren, spielen eine große Rolle8, 10. Veränderungen, vor allem an den Karpalgelenken, sind stark durch den Druck, den sie auf den Untergrund ausüben, beeinflusst.
Auch auf die Dauer der Liegephasen hat der Betonboden einen Einfluss, da durch seine Härte der Druck des eigenen Körpergewichts auf die Gelenke Schmerzen verursacht4, 7. Je schwerer die Tiere in der Mast werden, umso mehr vermeiden sie das Hinlegen und auch Liegen, weshalb sie länger und vermehrt in den jeweiligen Positionen verharren, wodurch aber die Gefahr für Lahmheiten steigt8, 7.
Ein weiterer Hinweis auf das Entlasten von Gelenken, um Schmerzen zu lindern oder zu vermeiden, ist das Wegstrecken eines Beines im Liegen11, 7. Vor allem schwerere Maststiere auf Beton-Vollspaltenböden können beim Liegen mit weggestrecktem Bein beobachtet werden.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Aufsteh- und Liegeverhalten der Tiere, die auf Beton-Vollspaltenböden gehalten werden, deutlich beeinträchtigt wird und alle Tiere unter Schmerzen leiden. Verletzungen an Haut und Gelenken treten in diesen Haltungssystemen am häufigsten und mit dem größten Schweregrad auf12, 13, 6. Die Tiere leiden ihr ganzes kurzes Leben unter Verletzungen an den Gelenken, die aufgrund der täglichen Belastungen und Bedingungen, unter denen sie leben müssen, nicht ausheilen können.
Klauengesundheit
Rinderklauen verfügen über mehrere Zonen, bestehend aus unterschiedlich festem Horn, und sind für das Gehen auf weichen Grasböden ausgelegt14. Das monatelange Leben und Bewegen auf Beton-Vollspaltenböden raspelt das Horn wie eine Nagelfeile in allen Zonen nach und nach ab. Die Klaue wächst nicht so schnell nach, wie sie abgetragen wird, was dazu führt, dass Rindern, die in Beton-Vollspaltensystemen gehalten werden, zum Teil wichtige Klauenbestandteile fehlen. Dadurch werden die empfindlicheren und weicheren Klauenteile mehr und mehr freigelegt, wodurch Blutungen in der Sohle entstehen15.
Die Mastrinder leiden damit beim Gehen und Stehen nicht nur aufgrund der verletzten Gelenke, sondern auch aufgrund der Auswirkungen, die das Haltungssystem auf die Klauen hat. Auch für verletzte und beeinträchtigte Klauen besteht, wie bei verletzten Gelenken, kaum eine Chance, sich in diesen Haltungssystemen erholen und heilen zu können, da die Ursache für die Verletzungen das Haltungssystem selbst ist8.
Beinahe jedes Mastrind aus intensiver Haltung hat Klauenverletzungen
Rinder sind Fluchttiere, die Schmerzen zu verstecken zu versuchen. Evolutionsbedingt hilft dieser Selbstschutz dabei einem potentiellen Jäger im Schutz der Herde nicht aufzufallen. Deshalb gibt es oft keine deutlich sichtbaren Anzeichen für Schmerzen, was aber nicht bedeutet, dass die Klauen gesund sind und keine schmerzhaften Verletzungen bestehen. So wurden bei 96 % der auf einem Schlachthof untersuchten Klauen Sohlenblutungen und bei über 50 % der Tiere an mindestens einer Klaue Abszesse der weißen Linie (Teil der Klaue) nachgewiesen16. Beides sind äußerst schmerzhafte Schäden an Klauen.
Schwanzspitzenveränderungen
In der Rinderhaltung ist in Österreich das Kupieren des Schwanzes erlaubt1. Dies wird hauptsächlich an Tieren, die auf Beton-Vollspaltenböden gehalten werden, praktiziert. Die Rinder haben so wenig Platz in ihren Buchten, dass sie sich gegenseitig auf die Körperteile treten. Das Zusammenspiel von Platzmangel und hartem, unnachgiebigem Boden führt dazu, dass Schwanzverletzungen und Veränderungen an der Schwanzspitze (z.B. Nekrosen – Absterben von Gewebe) am häufigsten in diesen Haltungssystemen auftreten17.
Amputation als letzte Konsequenz
Durch die Gewichtszunahmen der Tiere im Laufe der Mast nimmt diese Art der Verletzung sogar noch zu17. Treten so schwere Verletzungen auf, dass sie nicht mehr behandelbar sind, oder wird die Wunde nicht ausreichend gut versorgt und entzündet sich, so kann es in letzter Konsequenz zu einer Amputation durch den Tierarzt kommen.
Quellenverweis
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