
Masthühner
Welches Leid steckt hinter Hühnerfleisch?
In nur 32 Tagen erreicht ein Masthuhn sein Schlachtgewicht. Wie bei fast allen anderen Nutztierarten führen schnelles Wachstum und hochintensive Haltung zu Leiden, Krankheiten und Schäden.
In der EU werden jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Masthühner geschlachtet, davon über 11,2 Millionen in Österreich.Zusammen mit anderem Geflügel wie Pute und Ente machen Masthühner den größten Anteil an der gesamten Geflügelproduktion in der EU aus. Polen ist derzeit das Land, das die meisten Masthühner in der EU produziert.
Der/die durchschnittliche Verbraucher:in verzehrt im Jahr mehr als 15 Kilo Hühnerfleisch – Tendenz steigend.1 Das weiße Geflügelfleisch gilt als fettarm und ist daher sehr beliebt. Der (globale) Markt wird von einigen wenigen Konzernen geteilt, und das Land, das am meisten Geflügel produziert, sind die USA mit mehr als 20 Millionen Tonnen jährlich.1,2
Das Hauptziel der intensiven Masthähnchenproduktion
Möglichst viel Fleisch zu möglichst geringen Kosten zu produzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden viele Tiere auf einer sehr kleinen Fläche gehalten. Sie sollen so schnell wie möglich schlachtreif sein und wenig Futter verbrauchen.3
Den Preis für Billigfleisch zahlen die Tiere
Verhaltensstörungen, Krankheiten und hohe Sterberaten (5 bis 7,5%) sind die Folge. Nicht selten sind mehr als 30 Prozent der Masthühner krank oder verletzt, wenn sie am Schlachthof ankommen. In der Intensivhaltung kann nach 30 Tagen kaum eines der Tiere richtig und schmerzfrei laufen.
Nicht nur die Hühner, die für die Fleischerzeugung verwendet werden, leiden unter der Mast. Auch bei der Zucht von Masthähnchen werden tierschutzrelevante Methoden angewandt. Hochgezüchtete Mastrassen haben aufgrund ihrer schnellen Gewichtszunahme große Probleme bei der Fortpflanzung. Bei Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 24 Wochen wiegen sie meist mehr als sechs Kilogramm. Dieses extreme Gewicht führt zu verschiedenen Krankheiten und einer hohen Sterblichkeit. Dies wiederum verringert die Reproduktionsrate, denn ein schwer krankes oder totes Huhn kann sich nicht fortpflanzen.4,5
Die in der Praxis oft gewählte „Lösung“ des Problems geht auf Kosten der Tiere
Die Zuchtbetriebe lassen ihre Tiere bis zur Geschlechtsreife hungern. Sie erhalten gerade einmal 40% oder weniger der Futtermenge, die sie bei freiem Futterzugang zu sich nehmen würden. So wird die Gewichtszunahme künstlich verzögert, die Fortpflanzungsrate erhöht – und die Elterntiere geben weiterhin das Merkmal der rasanten Gewichtszunahme an ihre Nachkommen weiter.6
Doch sie bezahlen dafür einen hohen Preis: Der chronische Hunger führt zu gesteigertem Aggressionsverhalten bis hin zu Kannibalismus. Diese Praxis widerspricht den europäischen und verschiedenen nationalen Gesetzen, die eine angemessene Ernährung für alle Nutztiere gewährleisten sollen. In vielen nationalen Vorschriften werden die Elterntiere jedoch vernachlässigt, da sie nicht erwähnt oder geregelt werden, kaum unter der Kontrolle der zuständigen Behörden stehen oder Zwangsverbesserungsaufträge erhalten.
Zucht & Haltung
100 Tage brauchte ein Huhn in den 1950er Jahren noch, um sein Schlachtgewicht von 1,8 Kilogramm auf die Waage zu bringen. Heute erreicht ein Masthuhn der „Spitzenklasse“ dieses Gewicht in nur noch 32 Tagen – also einem Drittel der Zeit. Der Grund: Seit den 1960er Jahren werden Masthühner gezielt auf das Leistungsmerkmal „schnelle Gewichtszunahme“ gezüchtet. Dass dies schädliche Auswirkungen für die Tiere hat, ist seit langem bekannt. Durch die miserablen Haltungsbedingungen werden diese Zuchtprobleme noch verschlimmert.²
- Stoffwechselkrankheiten: Aszites und Herztod sind eine direkte Folge der Turbo-Zucht.
- Bewegungseinschränkungen: Das schnelle Wachstum führt zu schwachen Beinen und Lahmheit.
- Hautkrankheiten: Ständiges Sitzen und die schlechte Qualität der Einstreu verursachen Brustblasen, Hautverbrennungen und Pfotenerkrankungen.
- Infektionen: Hauterkrankungen sind Eintrittspforten für Bakterien.
EU-Haltungsstandards
Die EU-Mindeststandards sind sogar noch weiter von einer annähernd tierfreundlichen Regelung entfernt. Die seit Mai 2007 vom EU-Ministerrat für Landwirtschaft und Fischerei verabschiedete Richtlinie erlaubt eine Besatzdichte von 42 Kilogramm pro Quadratmeter. Bei der häufig praktizierten Kurzzeitmast für die Produktion von Grillhähnchen können bis zu 28 Tiere auf einem Quadratmeter gehalten werden.
Maßnahmen zur Vermeidung schwerster Tierschutzprobleme durch einseitige Turbo-Zucht sind in der EU-Richtlinie völlig ausgeklammert. Völlig unklar bleibt auch, wie die Einhaltung der EU-Vorschriften kontrolliert werden soll.
Gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen hat VIER PFOTEN die wichtigsten Mängel des Richtlinienentwurfs kritisiert und Lösungsvorschläge unterbreitet. Auch diese blieben unbeachtet. So werden beispielsweise gravierende Tierschutzprobleme durch EU-Normen für Masthähnchen rechtlich legitimiert.
Haltungsstandards in Österreich
Ihr kurzes, qualvolles Leben verbringen die Masthühner auf engstem Raum in meist fensterlosen Hallen auf eingestreuten Böden. Zu Beginn ihres Lebens haben die Küken noch genug Platz. Den rasant wachsenden Fleischkolossen wird es jedoch bald zu eng. In österreichischen Ställen teilen sich bis zu 18 Hühner einen Quadratmeter – im europäischen und weltweiten Vergleich haben Hühner in Österreich mehr Platz; Tierschutzexpert:innen sehen jedoch auch diese Besatzdichte (30 kg pro Quadratmeter) als kritisch an.
Natürliche Verhaltensweisen und Grundbedürfnisse, wie Sandbaden, Flattern und Ruhen auf erhöhten Plätzen, können die Tiere in den dunklen und strukturlosen Ställen nicht ausleben. Im Extremfall sitzen oder liegen sie zum Ende der Mast nur noch. Einige Tiere kommen nicht mehr an die Tränken und verdursten. Infolge der schlechten Haltungsbedingungen und Überzüchtung kommt es zu einer überdurchschnittlich hohen Sterblichkeit. Die Todesrate dieser Turbo-Masthühner ist siebenmal höher als bei gleichaltrigen Legehennen und viermal höher als bei langsamer wachsenden Rassen.
rechtslage
Seit Juni 2009 gelten für Deutschland verbindliche Regelungen für die Haltung von Masthühnern. Die Vorgaben für die Besatzdichte sind strenger als in der EU – jedoch gibt es keine Regelungen zu Stallstrukturierung, verpflichtendem Außenklimabereich oder Rassen.
VIER PFOTEN fordert
- den Einsatz langsam wachsender Rassen bzw. Begrenzung der durchschnittlichen täglichen Gewichtszunahme.
- Verbot von schmerzhaften Verstümmelungen9
- maximale Besatzdichte in den Ställen: 11 Kilogramm pro Quadratmeter10
- erhöhte Sitzgelegenheiten zum artgemäßen Ruhen
- an den Stall angrenzender Außenklimabereich (Wintergarten)
- möglichst Grünauslauf
Was Sie für Masthühner tun können
- Kaufen Sie nur Hühnerfleisch aus tierschutzgerechter Haltung, zum Beispiel mit BIO- oder einem Tierschutz-Label.
- Achten Sie auch auf Hühnerfleisch in verarbeiteten Lebensmitteln.
- Fragen Sie im Restaurant nach den Haltungsbedingungen der Masthühner, wenn Sie ein Gericht mit Hühnerfleisch bestellen.
- Reduzieren Sie Ihren Fleischkonsum und ersetzen Sie Fleischprodukte häufiger durch pflanzliche Alternativen.
- Unterstützen Sie die Tierschutzarbeit von VIER PFOTEN mit einer Spende.
Da der Eier- und Geflügelkonsum weltweit zunimmt, ist es wichtiger denn je, die Bedingungen der Tierhaltung in der aktuellen Situation zu verbessern. Indem Sie den Verzehr von tierischen Produkten einschränken oder sogar ganz darauf verzichten, tragen Sie als Verbraucher aktiv dazu bei, ein Umdenken in der Branche zu bewirken. Weitere Informationen finden Sie unter Tierschutz und Ernährung.
Quellenverweis
2. National Chicken Council | U.S. Broiler Performance. National Chicken Council. [accessed 2023 Jul 20]. https://www.nationalchickencouncil.org/about-the-industry/statistics/u-s-broiler-performance/
3. Allen VM, Weaver H, Ridley AM, Harris JA, Sharma M, Emery J, Sparks N, Lewis M, Edge S. Sources and Spread of Thermophilic Campylobacter spp. during Partial Depopulation of Broiler Chicken Flocks. Journal of Food Protection. 2008;71(2):264–270. doi:10.4315/0362-028X-71.2.264
4. EFSA Panel on Animal Health and Welfare. Scientific Opinion on the influence of genetic parameters on the welfare and the resistance to stress of commercial broilers. EFSA Journal. 2010;8(7):1666. doi:10.2903/j.efsa.2010.1666
5. Sandilands V, Hocking PM, editors. Alternative systems for poultry: health, welfare and productivity. Wallingford, Oxfordshire, UK ; Cambridge, MA: CABI; 2012. (Poultry science symposium series).
6. EFSA Panel on Animal Health and Welfare. Scientific Opinion on welfare aspects of the management and housing of the grand-parent and parent stocks raised and kept for breeding purposes. EFSA Journal. 2010;8(7):1667. doi:10.2903/j.efsa.2010.1667
7. de Jong I, Berg C, Butterworth A, Estevéz I. Scientific report updating the EFSA opinions on the welfare of broilers and broiler breeders. EFSA Supporting Publications. 2012 [accessed 2023 Jul 20];9(6). https://data.europa.eu/doi/10.2903/sp.efsa.2012.EN-295. doi:10.2903/sp.efsa.2012.EN-295
8. Knowles TG, Kestin SC, Haslam SM, Brown SN, Green LE, Butterworth A, Pope SJ, Pfeiffer D, Nicol CJ. Leg Disorders in Broiler Chickens: Prevalence, Risk Factors and Prevention Callaerts P, editor. PLoS ONE. 2008;3(2):e1545. doi:10.1371/journal.pone.0001545
9. van Niekerk TGCM, Jong I. Mutilations in poultry European poultry production systems. Lohmann Information 42 (2007) 1. 2007 Jan 1.
10. EFSA AHAW Panel (EFSA Panel on Animal Health and Welfare), Nielsen SS, Alvarez J, Bicout DJ, Calistri P, Canali E, Drewe JA, Garin-Bastuji B, Gonzales Rojas JL, Schmidt CG, et al. Welfare of broilers on farm. EFSA Journal. 2023;21(2):e07788. doi:10.2903/j.efsa.2023.7788