Schweinehaltung
Die intelligenten und geselligen Tiere können ihr natürliches Verhalten in der Intensivmast nicht ausleben
UPDATE: Kommt jetzt ein Pseudo-Vollspalten-Verbot?
Kürzlich traf der VfGH die Entscheidung, dass die 2022 beschlossene 17-jährige Übergangsfirst von Vollspaltenböden verkürzt werden muss. Eine erfreuliche Entwicklung, aber wir befürchten eine Mogelpackung. Aktuell steht das sogenannte "Dänische Modell" als neuer gesetzlicher Mindeststandard zur Diskussion, welches keinerlei Verbesserungen für die Tiere beinhalten würde!
Unter natürlichen Bedingungen verbringen Schweine drei Viertel ihres aktiven Tages damit, ihre Umgebung zu erkunden und nach Futter zu suchen. Schweine sind reinliche Tiere, sie würden niemals in ihre Schlafstätte koten oder urinieren. Da sie nicht schwitzen können, nehmen sie gern ein Bad im Schlamm, um sich abzukühlen. Freilandschweine zeigen dieses Verhalten bereits ab 18C°¹, trächtige Zuchtsauen nutzen die Gelegenheit sogar im Winter, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Als gesellige Wesen leben sie in größeren Gruppen und stimmen ihre Aktivitäten aufeinander ab. Nur kurz vor der Geburt verlässt die Sau die Gruppe und baut ein Nest. Sie säugt unter natürlichen Gegebenheiten ihre Ferkel rund 15 Wochen lang.
Bisher berücksichtigt die auch in Österreich gängige intensive Schweinehaltung kaum eine der natürlichen Verhaltensweisen der Tiere – im Gegenteil: Mit den 0,7 m² bzw. 0,8 m² (für Neu- und Umbauten seit 2023), die einem Tier in der österreichischen Mast zum Leben zur Verfügung stehen, haben diese intelligenten Tiere kaum Möglichkeiten, sich ihren Lebensraum zu gestalten. Der Platz reicht gerade aus, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können.² Einen Kotplatz anzulegen ist auf dieser geringen Fläche nicht möglich. Rund 70 % der Tiere werden in Österreich auf sogenannten Vollspaltenböden gehalten.³ In diesen harten, einstreulosen Systemen leiden die Tiere unter Schwellungen an den Gelenken, Schleimbeutelentzündungen und den Ammoniakdämpfen, denen sie ständig ausgesetzt sind, da sie über ihren eigenen Exkrementen leben müssen. Die Folge davon können Lungenerkrankungen sein.⁴ Das Fehlen von artgemäßem Beschäftigungsmaterial führt zu Verhaltensstörungen und in weiterer Folge zu gesundheitlichen Problemen.
Wichtige Grundbedürfnisse wie Sozial-, Erkundungs-, Nahrungssuch-, Körperpflege- und Nestbauverhalten können sie nicht ausleben. Die Folgen sind schwere physische und psychische Schäden.
Millionen Schweine leiden in der Intensivmast.
Massenware Schwein: Billigfleisch um jeden Preis
Die Österreicher lieben Schwein – auf dem Teller. Ob zu Wurst, Kotelett oder Schnitzel verarbeitet: Im Schnitt isst jeder Österreicher rund 33,5 Kilogramm⁵ Schweinefleisch pro Jahr (im Jahr 2022) und liegt damit weit über dem Durchschnitt der Industrieländer.⁶
Aus Kostengründen ist die Schweineerzeugung mehr und mehr produktionsteilig organisiert. Spezialisierte Betriebe halten nur Sauen für die Ferkelaufzucht. Die jungen Tiere gehen dann entweder weiter in andere Betriebe, in denen sie entweder zuerst aufgezogen oder bis zur Schlachtung gemästet werden. Die meisten Schweine werden deshalb im Laufe ihres Lebens mindestens zweimal aus seinem bekannten Umfeld gerissen und transportiert.
So leiden Schweine in der Intensivtierhaltung
In Österreich werden rund 5 Millionen Schweine gehalten (Stand 2023).⁷ Moderne Schweinerassen werden für die Fleischproduktion auf hohen Fleischansatz mit möglichst kurzer Mastdauer gezüchtet. Um dem Verbraucherwunsch nach billigem Fleisch gerecht zu werden, ist die Ausstattung der Ställe vor allem darauf ausgerichtet, möglichst viel Schweinefleisch in kürzester Zeit zu möglichst geringen Kosten zu produzieren.
Bisher berücksichtigt die intensive Schweinehaltung kaum eine der natürlichen Verhaltensweisen der Tiere – im Gegenteil. Die Tiere werden in ein System gepresst, das all ihre Bedürfnisse ignoriert.
Die nicht artgemäße Aufstallung der Tiere führt zu Stress und macht die Schweine krankheitsanfällig, was zu einem erhöhten Medikamenteneinsatz führt. Häufige Erkrankungen sind beispielsweise Schwanzspitzennekrosen, Lungenentzündungen und Magengeschwüre. Nach etwa 160 bis 180 Lebenstagen ist das Schwein mit ca. 110 Kilogramm Lebendgewicht schlachtreif und wird auf seine letzte Reise zum Schlachthof geschickt.
Schwache Ferkel werden häufig getötet
Auch die Ferkel leiden, denn die Anzahl der Ferkel pro Sau wurde mit den Jahren züchterisch weiter erhöht. Die eingesetzten Sauenrassen gebären mittlerweile auch bei uns zum Teil mehr Ferkel, als sie versorgen können. Eine Sau hat 14 Zitzen. Tiere der heute eingesetzten Rassen können jedoch auch 16 Ferkel oder mehr pro Wurf bekommen.⁸ Dies hat zur Folge, dass vermehrt Ferkel mit einem niedrigen Geburtsgewicht geboren werden und somit auch mehr schwache Ferkel, die eine Sonderbetreuung benötigen würden. Aus Zeitgründen wird hierauf häufig verzichtet und die Ferkel werden stattdessen aussortiert und – oftmals unsachgemäß – getötet.
Ferkelkastration und Schwanzkupieren ohne Betäubung
Verhaltensstörungen wie Schwanz- und Ohrenbeißen anderer Buchtengenossen sind direkte Folgen einer nicht artgemäßen Haltung und Fütterung. Anstatt die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen, werden Eingriffe an Schweinen vorgenommen. So schneidet man beispielsweise schon den Ferkeln die Schwänze ab.
Und das, obwohl das routinemäßige Kupieren von Schwänzen bei Schweinen seit 1994 EU-weit nicht mehr erlaubt ist. Die Europäische Kommission hat zwar mehrere Mitgliedstaaten ermahnt, sich an die geltenden Rechtsvorschriften zu halten, zögert bislang jedoch, Konsequenzen zu ziehen.
Ein weiterer schmerzhafter Eingriff ist die betäubungslose Ferkelkastration. Der Grund: Bei potenten Ebern kann ein unangenehmer Geruch beim Erhitzen des Fleisches auftreten. Das ist jedoch sehr selten. Geruchsbelastetes Fleisch könnte bereits am Schlachthof aussortiert und kalt verarbeitet werden, zum Beispiel als Wurst. Doch das ist zu aufwändig.
Im Kampf um die Zitzen der Muttersau setzen Ferkel ihre spitzen Zähne ein und verletzen dabei ihre Wurfgeschwister und auch teilweise das Gesäuge der Sau. Gerade bei sehr großen Würfen ist das ein häufiges Problem. Um solche Verletzungen zu minimieren, werden die noch sehr kleinen Zähne der Ferkel in den ersten Lebenstagen abgeschliffen. Dabei kommt es in fast 90 % der Zahnbehandlungen zu schwerwiegenden Verletzungen der Zähne, da die 1 mm bis 1,3 mm dicke Schicht zu stark abgeschliffen und die Pulpa der Zähne eröffnet wird. Diese Schicht kann der Zahn nicht nachbilden, was bedeutet, dass für den Rest des kurzen Schweinelebens eine mit Nerven durchzogene Schicht im Zahn freiliegt, was äußerst schmerzhaft ist.⁹
In engste Käfige gepfercht: Kastenstand für Sauen
Zuchtsauen müssen in kürzester Zeit so viele Ferkel wie möglich gebären, mit fatalen Folgen für ihre Gesundheit: Durchschnittlich 50 Prozent der Sauen müssen jährlich aufgrund von Fruchtbarkeitsstörungen und Gesundheitsschäden aussortiert und geschlachtet werden.
Während der Ferkelaufzucht und im Deckzentrum wird die Sau in einen engen Metallkäfig gezwängt. Dieser Käfig ist nur so groß wie sie selbst – sie kann sich noch nicht einmal umdrehen. Zuchtsauen werden in diesem „Kastenstand“ fixiert, um zu verhindern, dass sie ihre Ferkel erdrücken. In Summe werden 95 % der Zuchtsauen in der konventionellen Haltung durchschnittlich 22 Wochen im Jahr fixiert - ohne jegliche Bewegungsfreiheit.10
Vollspaltenböden
Rund 70 % der Schweine in Intensivtierhaltung müssen in Österreich ihr Leben auf sogenannten Vollspaltenböden fristen. Sie verbringen ihr dasein auf blankem Beton mit Spalten, direkt über einer Güllegrube und über ihren eigenen Exkrementen. In dieser reizarmen Umgebung können die Tiere ihr artgemäßes Verhalten niemals ausleben.
Außerdem verursacht der harte Untergrund Schmerzen und Gelenksentzündungen.11 Durch die schädlichen Gase aus der Gülle leiden die geruchssensiblen Tiere zusätzlich oft an Lungenerkrankungen.12,13 Schweine haben einen hervorragenden Geruchssinn, vergleichbar mit Hunden – lässt man den Schweinen die Wahl, meiden sie nach Möglichkeit mit Ammoniak angereicherte Luft.14, 15
Ein weiteres großes Problem sind Verhaltensstörungen, wie Schwanz- und Ohrenbeißen, das aufgrund des geringen Platzangebots, der hohen Besatzdichten und der mangelnden Beschäftigung hervorgerufen werden kann.16
VIER PFOTEN fordert
...das Ende der grausamen Praktiken:
Sie lösen Angst, Schmerzen und Qualen aus und schwächen so das Immunsystem, verändern die Gehirnfunktion und das natürliche Verhalten der Tiere.
- Generelles Verbot der Haltung von Sauen in Kastenständen, in allen Ländern. Es gibt viele tierfreundliche Alternativen dazu. Das System sollte an das Tier angepasst werden und nicht andersherum!
- Freie Abferkelsysteme (mit Schutz der Ferkel vor Erdrückung), in denen die Sau ein Nest bauen, sich bewegen sowie mit ihren Ferkeln und Artgenossen sozialisieren kann.
- Begrenzung der individuellen Fixierung auf ein absolutes Minimum (stundenweise), z.B. nur für Behandlungszwecke und tierärztliche Eingriffe.
- Verbot (und weitere Durchsetzungsmaßnahmen) von schmerzhaften Verstümmelungen wie Schwanzkupieren, betäubungsloser Kastration und Zähneschleifen.
- Eine intensive Kraftfutterfütterung ohne Raufuttergaben muss vermieden werden.
- Vollspaltenböden müssen verboten werden.
- Wir fordern verpflichtende tiefe Stroheinstreu und mindestens doppelt so viel Platz für die Tiere, einen Zugang zu einem Außenbereich sowie weitere Maßnahmen für mehr Tierwohl.
...die Erfüllung der Grundbedürfnisse:
Wenn diese vernachlässigt werden, führt dies zu einem schlechten Wohlbefinden und damit zu Leiden, akuten Schmerzen und Ängsten. Grundbedürfnisse von Schweinen sind:
- Schweine sind eine soziale Spezies und müssen in stabilen Gruppen gehalten werden - die Gruppenhaltung von Sauen und das freie Abferkeln sollte ein Standardverfahren sein.
- In den Tagen vor der Geburt sollte der Sau stets langes Stroh als Nistmaterial zur Verfügung stehen.
- Stroh hat in der Haltung von Schweinen viele positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere: Zum Einen soll Stroh als Einstreu den Liegekomfort erhöhen und andererseits den Tieren als Beschäftigungsmaterial dienen.19,29,21
- Schweine haben eine starke Motivation zur Futtersuche, die im Idealfall den größten Teil ihres Zeitbudgets am Tag in Anspruch nimmt. Das Wühlen ist einer der auffälligsten und wichtigsten Teile des Futtersuchverhaltens, und wenn es nicht erfüllt werden kann, führt dies zu vielen verschiedenen Problemen (z. B. Stereotypien).
- Eine schweinetaugliche Ernährung (mit hohem Faseranteil) ist nicht nur für die Erhaltung der körperlichen Gesundheit der Tiere von entscheidender Bedeutung (sie beugt den heute häufigen Magengeschwüren vor), sondern gibt ihnen auch die Möglichkeit, ihr natürliches Wühlverhalten auszuleben.
- Ausreichende Liegeflächen mit trockener und weicher tiefer Einstreu in der Ferkelproduktion sind von entscheidender Bedeutung - harte Oberflächen führen bei den Sauen zu Schulterwunden (weil ihr Gewicht Druck auf die Schultern und die Wirbelsäule ausübt) und bei den Ferkeln zu offenen Wunden an den Gelenken (weil sie sich zum Saugen hinknien).
- Liegebereich mit tiefer Stroheinstreu über alle Produktionsstufen hinweg (Aufzuchtferkel, Mastschweine, Jungsauen etc.) - die Klauen der Schweine sind an weiche und sumpfige Böden angepasst - harte Böden verursachen Klauenprobleme, Lahmheiten und Schleimbeutelentzündungen.
- Mindestens doppelt so viel Platz als bisher gesetzlich vorgeschrieben, damit unterschiedliche Funktionsbereiche zur Verfügung stehen, wie Liegebereich, Aktivitätsbereich, Kotbereich etc.
- Zugang zum Außenbereich, damit die Tiere die Möglichkeit haben, die Außenwelt zu erleben und ihr Leben zu bereichern - die Tiere langweilen sich weniger und haben ihren Alltag besser im Griff, wenn sie verschiedene Umgebungen erleben können. Außenklima wirkt sich zudem positiv auf ein gestärktes Immunsystem aus.
- Der Unterschlupf sollte Schutz vor extremen Witterungsbedingungen bieten, eine gute Luftqualität aufweisen und über leicht zugängliches Wasser und Futter verfügen.
- Die Tiere sollten bei guter Gesundheit gehalten und bei Bedarf tierärztlich versorgt werden.
Lesen Sie mehr über die Bedürfnisse von Schweinen.
Quellenverweis
2. Petherick, J. (1983). A biological basis for the design of space in livestock housing. In Farm Animal Housing and Welfare (pp. 103-120). Baxter, S.H.; Baxter, M.R.; MacCormack, J.A.C.;.
3. STATISTIK AUSTRIA, Agrarstrukturerhebung 2020.
4. GEMA. (2018). Erläuterungen zu ausgewählten Befunden der Schlachttier- und Fleischuntersuchung (SFU). Wien: VÖS Verband österreichischer Schweinebauern.
5. Österreich - Pro-Kopf-Konsum von Fleisch nach Art 2022 | Statista
6. Pro-Kopf-Konsum von Schweinefleisch weltweit bis 2030 | Statista
7. https://www.statistik.at/statistiken/land-und-forstwirtschaft/tiere-tierische-erzeugung/viehbestand/viehbestand-jaehrlich
8. Hoy, S. (2016). Zucht auf höhere Ferkelzahlen aus Sicht des Tierschutzes. Nutztierschutztagung Raumberg-Gumpenstein, pp. 49-54.
9. Aufbau, Altersschätzung und Folgen von Zahnkürzungen - eine Literaturübersicht. Beumer, M., Hessling-Zeinen, U., Fels, M., Hewicker-Trautwein, M., große Beilage, E. 2021, Der praktische Tierarzt 102 Heft 10/2021, S. 1107-1116.
10. Schlatzer, M., & Lindenthal, T. (2018). Analyse der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Österreich - Umwelt- und Tierschutzaspekte. Wien: Universität für Bodenkultur - Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit.
11. EFSA. Farm to Fork Strategy / EFSA mandate on the protection of pigs on farm. s.l. : EFSA, 2020.
12. Opinion of the Panel on Animal Health and Welfare on a request from Commission on the risks associated with tail biting in pigs and possible means to reduce the need for tail docking considerin the different housing and husbandry systems. EFSA. 2007, The EFSA Journal 611, S. 1-13.
13. Sailer, Judith. Lungenscoreergebnisse bei österreichischen Mastschweinen im Jahr 2018 unter besonderer Berücksichtigung des Impfstatus gegenüber Mycoplasma hyopneumoniae und dem Porcinen Circovirus Typ 2. Wien : Diplomarbeit: Veterinärmedizinische Universität Wien. Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin., 2020.
14. The preference of pigs for fresh air over ammoniated air. . Smith, J.H., Wathes, C.M. und Baldwin, B.A. 1996, Applied behaviour Science 49, S. 417-424.
15. Behavioural respones of pigs to atmospheric ammonia in a chronic coice test. Jones, J.B., et al. 1996, Animal science 63, S. 437-445.
16. Weber, Ragnhild. Wohlbefinden von Mastschweinen in verschiedenen Haltungssystemen unter besonderer Berücksichtigung ethologischer Merkmale. Stuttgart : Dissertation: Universität Hohenheim. Fakultät Agrarwissenschaften., 2003.