
Regierungsabkommen: Beim Tierschutz ist Luft nach oben!
VIER PFOTEN: Neue Regierung muss Vollspaltenböden endlich verbieten
Wien - Das heute von ÖVP, SPÖ und Neos präsentierte Koalitionsabkommen beinhaltet auch das Thema Tierschutz. Das Fazit von VIER PFOTEN: Es gibt definitiv noch Luft nach oben. Wenngleich auch einige begrüßenswerte Vorhaben erwähnt werden, gibt es doch zahlreiche Kritikpunkte und offene Fragen.
Am dringlichsten ist auf jeden Fall eine Entscheidung über die Vollspaltenböden. Das Abkommen hält lediglich fest, dass gemäß den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs eine neue Frist für ein Verbot spätestens Ende Mai 2025 beschlossen werden muss. VIER PFOTEN fordert ein echtes Verbot von Vollspaltenböden; das würde aber bedeuten, dass Schweine künftig auf Stroh und nicht auf Beton – mit oder ohne Spalten – stehen müssen.
Außerdem werden Rinder, von denen in Österreich auch die Hälfte auf Vollspaltenböden steht, wieder außen vor gelassen; VIER PFOTEN fordert auch für sie ein echtes Verbot von Vollspaltenböden, inklusive einer verpflichtenden Stroheinstreu.
Dass das Abkommen eine Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln beinhaltet, begrüßt VIER PFOTEN einerseits. „Es wird zwar die Gastronomie explizit in die Pflicht genommen, dabei bleibt aber ein dicker Minuspunkt: Es wird nur die Kennzeichnung nach Herkunft und nicht auch nach Haltungsform erwähnt. Die Haltung der Tiere, die für Fleisch ihr Leben lassen mussten, uns ihre Milch und Eier liefern, ist aber doch genau das, was Konsument:innen in Wirklichkeit am meisten interessiert! Tierquälerei bleibt Tierquälerei, auch wenn sie aus Österreich kommt“, so Rosenberg.
Die Vorhaben zur „Stärkung der regional, biologisch und tiergerecht erzeugten Lebensmittel in der öffentlichen Beschaffung“ sieht VIER PFOTEN positiv, fordert aber eine Ausweitung auch auf Länder und Gemeinden sowie jährliche Kontrollen und Sanktionen bei Nicht-Einhaltung. Der so genannte „Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung“ hat nämlich bislang außer schöne Überschriften kaum etwas gebracht. Rosenberg: „Wenn dieser Plan nicht deutlich verschärft und in seiner Umsetzung kontrolliert wird, ist er zwecklos und zum Scheitern verurteilt.“
Dass die Kontrollen landwirtschaftlicher Betriebe effizienter und strenger werden sollen, ist laut VIER PFOTEN sehr wichtig: „Wie der Rechnungshof auch letztes Jahr festgestellt hat, haben wir ein absurdes Kompetenz-Wirrwarr und damit ein extremes Chaos, wenn es um Förderungen und Kontrollen landwirtschaftlicher Betriebe in Österreich geht. Zuständigkeiten in der Tierhaltung sind auf EU-, Bund-, Länder- und Bezirksebene verteilt. Das heißt: Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Wichtige Informationen werden häufig zwischen den Behörden nicht weitergegeben und dadurch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bzw. die Tierhaltungsverordnung nicht aufgedeckt. Lediglich zwei Prozent der Betriebe werden überhaupt jährlich kontrolliert. Daher begrüßen wir diesen Vorstoß zur Verbesserung sehr“, sagt Rosenberg.
Sehr kritisch sieht VIER PFOTEN, wie das Thema Fiakerpferde behandelt wird. Das Regierungsabkommen nimmt als Referenz für eine künftige Regelung eine Studie, die derzeit erstellt wird und die Auswirkungen von Hitze auf die Tiere untersucht. „Das ist viel zu kurz gegriffen! Die Liste der Gefahren und Stressfaktoren für Pferde ist lang: Lärm, hektischer Innenstadtverkehr, harter und rutschiger Asphalt, aber vor allem das fehlende Raufutter, zu dem die Tiere eigentlich ständig Zugang haben sollten. Fiaker haben generell einfach nichts in der Innenstadt verloren“, erklärt Rosenberg.
Völlig zukunftsvergessen ist für VIER PFOTEN der Vorstoß, kultiviertes Fleisch („Laborfleisch“) zu verbieten. Rosenberg: „Die Bundesregierung sollte die Entwicklung von kultiviertem Fleisch als wichtigen Teil der Lösung zur Abschaffung der grausamen Massentierhaltung sehen! Wir werden es uns nicht leisten können, darauf einfach zu verzichten.“
Die Förderung der Arbeit der wissenschaftlichen Kommission zur Vermeidung von Qualzucht, wie im Abkommen festgehalten, ist begrüßenswert. Aktuell liegt der Schwerpunkt dieser Kommission lediglich auf der Bekämpfung der sogenannten Brachycephalie, also der Kurzköpfigkeit. Es gibt aber weitere ebenso gravierende Qualzuchtmerkmale und -symptome, die unbedingt schnellstmöglich einbezogen werden müssen, um das Leiden der betroffenen Tiere zu verringern. Auch Pläne zur stärkeren Regulierung und Kontrolle der so genannten „Hobbyzucht“ von Hunden und Katzen, hinter der oft ein illegaler Welpenhandel steckt, fehlen, ebenso wie ein Verbot des privaten Beiß- und Angriffstrainings von Hunden.
Vorhaben, die problematische Privathaltung von Wildtieren nachhaltig zu regeln, sucht man im Regierungsabkommen leider vergeblich. Seit Jahren fordert VIER PFOTEN eine so genannte Positivliste, die sich in einigen Ländern Europas bereits bewährt hat. Diese legt fest, für welche Tierarten die Privathaltung erlaubt ist und sollte unter Berücksichtigung von Tier-, Natur- und Artenschutz sowie aus Gesundheits- und Sicherheitsaspekten erstellt werden. Mit einer solchen bundesweit geltenden Liste wäre die Privathaltung von Wildtieren nicht nur transparenter, sie würde auch helfen, den illegalen Wildtierhandel einzudämmen und somit das Leid und die Risiken, die mit dem Handel verbunden sind, zu verhindern.
Auch die Vorhaben zu Tiertransporten sind völlig unzureichend. Zwar soll künftig besser kontrolliert werden, ob der Export von Zuchtrindern in EU-Drittstaaten tatsächlich zum Aufbau einer Herde dient. Die Frage ist aber: Wie sehen solche Kontrollen aus? Und das Kernproblem bleibt bestehen: Tiere werden weiterhin tagelang in EU-Drittstaaten gekarrt, wo sie auf grausame Weise (etwa bei der Schlachtung ohne Betäubung) behandelt werden. Auch Zuchttiere werden in diesen Ländern früher oder später geschlachtet und sind spätestens dann systematischer Tierquälerei ausgesetzt. Das so wichtige Verbot des Langstreckentransports von lebenden Tieren in EU-Drittländer, eine Begrenzung der Transportdauer auf maximal acht Stunden (bzw. vier Stunden bei Kaninchen und Geflügel) für innereuropäische Transporte und das Verbot des Transports von nicht entwöhnten Jungtieren fehlen leider komplett.

Mag. Elisabeth Penz
Press Officer Austriaelisabeth.penz@vier-pfoten.org
+ 43 (0)1 895 02 02 - 66
+ 43 (0)664 3086303
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Linke Wienzeile 236, 1150 Wien
Über VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freund:innen in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemäßer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen. Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen.
Informationen dazu und zu weiteren VIER PFOTEN Aktivitäten erhalten Sie laufend und, wann immer möglich, in Echtzeit auf unseren Social Media Kanälen: