Neues oberösterreichisches Hundehaltegesetz: Katastrophale Auswirkungen auf Tierheime
VIER PFOTEN: Reine Anlassgesetzgebung stellt Hunde unter Generalverdacht
Wien - VIER PFOTEN stellt dem Entwurf des neuen oberösterreichischen Hundehaltegesetzes, dessen Begutachtungsfrist nun ausläuft, ein vernichtendes Zeugnis aus. Zum einen, so die Tierschutzorganisation, werden Hunderassen bzw. Hunde ab einer bestimmten Größe unter Generalverdacht gestellt – ganz unabhängig davon, ob sie verhaltensauffällig sind oder nicht. Zum anderen befürchtet VIER PFOTEN eine Abnahme- und Abgabewelle von Hunden und somit eine immense zusätzliche Belastung für Tierheime.
„Dieses Gesetz ist eine Riesenenttäuschung – eine reine Anlassgesetzgebung, die sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse missachtet: Längst schon ist die Forschung auf dem Stand, dass Rassen absolut nichts über die Gefährlichkeit eines Hundes aussagen. Dieses durchsichtige politische Manöver wird auf dem Rücken der Tiere ausgetragen, da unter anderem die Vermittlungschancen vor allem „großer“ Tierheim-Hunde und bestimmter Rassehunde künftig drastisch erschwert werden“, kritisiert VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck.
Die Auswirkungen auf die Tierheime werden katastrophal sein, prognostiziert VIER PFOTEN.
Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass das Gesetz teuer wird: Denn auch die öffentliche Hand wird die dadurch steigenden Kosten künftig zu einem Teil finanzieren müssen.
Ursache der Probleme völlig ignoriert
Das Schlimmste, so Weissenböck, sei die Tatsache, dass die eigentliche Ursache der Gefährlichkeit von Hunden überhaupt nicht berücksichtigt wird: „Dazu müsste man am anderen Ende der Leine ansetzen. Es fehlt an intensiver Aufklärung über einen artgemäßen Umgang mit Hunden, die unabdingbar ist, um künftige Beißvorfälle zu verhindern und auch wirklich nachhaltige Veränderungen zu erreichen. Menschen müssen dahingehend geschult werden, ihre eigenen Hunde zu „lesen“ und adäquat auf sie reagieren zu können. Kein Hund wird böse oder aggressiv geboren; vielmehr bestimmen in erster Linie die Erfahrungen, die er etwa während seiner Sozialisierung und Erziehung sammelt, ob er verhaltensauffällig wird oder nicht.“
Die „Alltagstauglichkeitsprüfung“, wie sie Inhalt des Gesetzesentwurfs ist, sieht VIER PFOTEN auch kritisch. „Bei einer Prüfung handelt es sich um eine Momentaufnahme. Viel zielführender wären wie auf Bundesebene in der Novelle des Tierschutzgesetzes angekündigte verpflichtende Trainings-Praxisstunden, sodass individuell auf die Bedürfnisse der Hunde und ihrer Halter:innen eingegangen werden kann. Somit können unter anderem die unterschiedlichen Ansprüche des Alters, des Umfelds und der Vorgeschichte des Tieres berücksichtigt werden, was im engen Zusammenleben von Hund und Mensch von hoher Bedeutung ist. Den Halter:innen werden damit effektive und umsetzbare Tipps für die tatsächliche Praxis und Alltagsbewältigung mitgegeben“, erklärt Weissenböck. Sachkunde-Kurs, Praxisstunden und auch Beurteilungen von Verhaltensweisen sollten ausschließlich von staatlich geprüften „tierschutzqualifizierten Hundetrainer:innen“ bzw. von Tierärzt:innen mit fachspezifischer Zusatzausbildung durchgeführt werden dürfen.
Überaus befremdlich sind für VIER PFOTEN die gewählten Begrifflichkeiten, die Eingang in die Überarbeitung des Gesetzes gefunden haben: So wird von einer „Herrschaft über das Tier“ gesprochen, das längst überholte Wort der „Abrichtung“ gesetzlich verankert, „Triebe“, für die es keine wissenschaftlichen Beweise gibt, als Eigenschaft deklariert und zwischen „Knurren“ und „aggressivem Knurren“ unterschieden. „Das sind allesamt völlig antiquierte und teilweise auch fehlerhafte Ausführungen, die nicht dem heutigen Stand der Hundewissenschaft entsprechen. Und das, obwohl großmundig eine Modernisierung des oberösterreichischen Hundehaltegesetzes angekündigt wurde! Das zeigt, dass keine Expert:innen mit umfassenden Kenntnissen der Kynologie und vor allem der Verhaltensbiologie, die sich auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft befinden, in die Gespräche miteinbezogen wurden“, so Weissenböck.
Angesichts dieser völlig verpfuschten Überarbeitung des Gesetzes lautet die Empfehlung von VIER PFOTEN für die Landesregierung: Zurück an den Start! „Es muss eine erneute komplette Überarbeitung des Entwurfs geben – alles andere ist aus Tierschutzsicht inakzeptabel“, fordert Weissenböck.
Mag. Elisabeth Penz
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VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freund:innen in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemäßer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen. Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen.
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