Vorstellung des Begriffs "Lämmerverstümmelung" als Ersatz für Mulesing
VIER PFOTEN ruft gemeinsam mit führenden Tierschutzorganisationen Unternehmen, Industrievertreter:innen, Politiker:innen und die Öffentlichkeit dazu auf, den Begriff zu übernehmen
Ein Name so veraltet wie die Praxis
Mulesing ist die Bezeichnung für eine schmerzhafte und archaische Prozedur, die Millionen von Lämmern in Australien, dem Land mit der größten Wollindustrie, zugefügt wird. Der Begriff erfasst jedoch nicht die wahre Natur der damit verbundenen Grausamkeit. Um Licht in diese Angelegenheit zu bringen und eine transparentere Kommunikation zu ermöglichen, haben sich Expert:innen für Tiergesundheit und Tierschutz auf einen neuen Begriff geeinigt: "Lämmerverstümmelung“.
Was genau bedeutet Lämmerverstümmelung?
Jedes Jahr werden mehr als 10 Millionen Merino-Lämmer, die in der Regel zwischen 2 und 12 Wochen alt sind, in einer Metallwiege auf dem Rücken fixiert, während mit einer scharfen Schere (ähnlich einer Gartenschere) große Teile der Haut und des Fleisches am Gesäßbereich herausgeschnitten werden. Diese Verstümmelung kann tagelang schmerzen, und es dauert Wochen, bis die Wunde verheilt ist; sie wird in der Regel ohne angemessene Schmerzmittel durchgeführt.
Es handelt sich um die invasivste Prozedur, der Schafe routinemäßig unterzogen werden. Damit soll der schmerzhafte Befall von Schmeißfliegenmaden vorgebeugt werden. Diese legen ihre Eier in den Hautfalten der Schafe ab, was weitgehend ein vom Menschen verursachtes Problem ist. Die meisten australischen Wollproduzent:innen züchten Merino-Schafe so, dass sie überschüssige Haut produzieren, was zu den so genannten „Faltenschafen“ führt, um mehr Wolle pro Tier zu gewinnen. Unglücklicherweise macht die Verwendung von faltigen Schafstypen in Verbindung mit dem heißen und feuchten Klima in Australien und dem Vorkommen der Australischen Schmeißfliege die Schafe sehr anfällig für den Fliegenbefall.
Tausende von australischen Wollproduzent:innen haben erfreulicherweise durch die Zucht von Schafen, die gegen Fliegenmaden resistent sind und als „glatte“ statt „faltige“ Körper bekannt sind, die Verstümmelung lebender Lämmer gestoppt. Diese Methode hat sich in der Industrie bewährt und ist ein wirkt vorbeugend gegen den Befall von Schmeißfliegen und somit auch der Lämmerverstümmelung. Außerdem hat sie viele weitere Vorteile für die Gesundheit der Tiere und somit auch für die Wollzüchter:innen.
Obwohl es seit mehr als dreißig Jahren schmerzfreie Alternativen gibt, werden in Australien immer noch etwa 70 Prozent der Lämmer verstümmelt. Der Prozentsatz der australischen Wolle, die als „mulesing-frei“ bzw. "frei von Lämmerverstümmelung" deklariert wird, ist nur langsam gestiegen, denn rund 80 Prozent der Wolle stammt immer noch von Schafen, die meist ohne Betäubung verstümmelt wurden.
Warum müssen wir den Begriff ändern?
Ein wesentliches Hindernis für Fortschritte ist mangelnde Initiative sowohl seitens der Industrie als auch seitens der Politik in Australien. Diesem Hindernis wird entgegengewirkt, indem die wachsende öffentliche Bewegung gegen die Verstümmelung von Lämmern mobilisiert und eine Umstellung auf verfügbare Alternativen gefordert wird. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht die Notwendigkeit einer klaren und transparenten Kommunikation, die durch den Begriff „Mulesing“ behindert wird. Dieser Begriff ist aus mehreren Gründen problematisch:
- Unklar: Der Begriff „Mulesing“ gibt die harte Realität dieser Praxis nicht richtig wieder.
- Alt und überholt: Der nach seinem Erfinder, J. Mules, in den 1920er Jahren benannte Begriff wird weiterhin verwendet, obwohl es längst Alternativen gibt, die die Praxis überholt haben.
- Schwierig in der Kommunikation: Der Begriff ist schwierig zu buchstabieren, auszusprechen und zu merken, was das Verständnis erschweren und die Bemühungen um Veränderungen behindern kann.
Gemeinsam mit führenden Tierschutzorganisationen in Australien und weltweit wird VIER PFOTEN in Zukunft den transparenteren Namen „Lämmerverstümmelung“ verwenden. Hier geht es nicht nur um Semantik - es geht um Klarheit, Ehrlichkeit und die Anerkennung der Realität hinter einem großen Teil der Wollindustrie und der Notwendigkeit von Veränderungen.
Der neue Begriff „Lämmerverstümmelung“ benennt diese Praxis als das, was sie ist. Er macht deutlich, dass junge und verletzliche Tiere unvorstellbaren Schmerzen ausgesetzt sind, weil sie bei lebendigem Leib und vollem Bewusstsein verstümmelt werden.
Lämmerverstümmelung ersetzt nur den Begriff Mulesing, der nicht das Kupieren der Schwänze, die Kastration oder andere Praktiken umfasst, bei denen Lämmer schmerzhafte Eingriffe meist ohne Betäubung erleiden.