Zwei Löwenjunge in Bulgarien

Wildtiere in Zoos

Unterbringung von Tieren entsprechend ihren Bedürfnissen

2.10.2023

Wildtiere haben komplexe ökologische, soziale und verhaltensbedingte Bedürfnisse. Eine Haltung in Zoos ist daher bei vielen Arten grundsätzlich schwierig und bei manchen gar nicht möglich.  Viele Zoos richten die Gehege nach den Bedürfnissen der Besucher und nicht der Tiere aus und sind für erhebliche Tierschutzmängel verantwortlich. Dazu gehören Defizite wie unzureichender Platz, fehlende artspezifische Gehege und falsches Sozialmanagement.

Diese Einschränkungen können sich negativ auf den Gesundheitszustand der Tiere auswirken und zu Verhaltensproblemen wie Stereotypien und abweichendem Sozialverhalten führen. Wenn die Tiere beispielsweise über einen längeren Zeitraum die gleichen Bewegungen ausführen, deutet dies auf stereotypes Verhalten hin.  

Das Fehlen solcher Störungen bedeutet leider nicht zwangsläufig, dass sich die Tiere in einem guten geistigen und/oder körperlichen Zustand befinden, denn Wildtiere sind im Allgemeinen gut darin, ihr Leiden zu verbergen.

Artengerechte Unterbringung

Wildtiere stellen sehr hohe Ansprüche an Ihren Lebensraum, weshalb die tiergemäße Haltung von Wildtieren in Zoos grundsätzlich schwierig und nur unter Einhaltung höchster Anforderungen denkbar ist. Häufige Probleme in Zoos sind Platz- und Beschäftigungsmangel in Gehegen, die für den Besucher zwar attraktiv gestaltet, aber für die Tiere selbst eintönig sind. Insbesondere die Anforderungen von Arten mit komplexen Sozialsystemen, großem Bewegungsbedarf und spezialisierter Lebensweise oder besonderen Klimaansprüchen können in Zoos und Tierparks nicht genügend berücksichtigt werden (z.B. Wale und Delfine, Elefanten, Menschenaffen, Eisbären).  

Aus VIER PFOTEN Sicht sollten moderne Zoos die Artenanzahl spürbar verringern und stärker auf heimische Arten setzen, die gut an unser Klima und die hiesige Natur angepasst sind. Dafür sollten die Lebensbedingungen für die verbleibenden Arten verbessert werden.

Die Gehege sollten sich primär an den Bedürfnissen der Tiere orientieren und erst in zweiter Linie am Besucher. Wildfänge müssen für Zoos tabu sein, auch der direkte Kontakt zwischen Besuchern und Wildtieren oder Tier Shows (wie Delfinarien) sollten der Vergangenheit angehören!  

Unter Berücksichtigung ethischer Aspekte sollen Zoos für geplante Nachzuchten sicherstellen, dass tatsächlich Bedarf besteht und sicherstellen, dass sie oder ihre Partnerinstitutionen über ein ausreichendes Platzangebot, angemessene Pflegebedingungen, passende Sozialstrukturen und eine gute tierärztlicher Versorgung verfügen, um den Nachkommen, aber auch den erwachsenen Zuchttieren, eine hohe Lebensqualität zu garantieren.  

Artenschutz in Zoos

Zoos möchten mit der Zucht bedrohter Arten einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten, jedoch lebt nur ein Bruchteil der weltweit gefährdeten Tierarten in Zoos. Das Artenspektrum vieler Zoos richtet sich oftmals auch nach dem Schauwert der gezeigten Tierarten und weniger nach dem Bedrohungsstatus der Arten.  

Aus Sicht von VIER PFOTEN findet nachhaltiger Artenschutz vor allem in den Ursprungsländern statt und schützt die bedrohten Tiere in ihren Lebensräumen. Da die Haltung vieler Tierarten in menschlicher Obhut zudem teuer und aufwändig ist, stellt sich auch die Frage, ob die für die Zootierhaltung aufgewendeten Ressourcen in Projekte zum direkten Schutz wildlebender Populationen zumindest in Teilen nicht effizienter investiert wären.

Wiederansiedlung von im Zoo geborene Tiere

Zwar gibt es Beispiele für erfolgreiche Wiederansiedelungen von in Zoos gezüchteten Tieren wie z.B. Wisent, Przewalski-Pferd oder Waldrapp, aber viele Arten lassen sich nicht oder nur mit extrem hohem Aufwand in ihre natürlichen Lebensräume zurückbringen. Oftmals sollen Zuchtprogramme schlicht die Zoopopulationen der jeweiligen Tierart (genetisch) gesund erhalten und es gibt für viele bedrohte Spezies - zumindest derzeit - keine wirklichen Auswilderungsperspektiven. 

Ein Beispiel dafür, wie ein Zoo nicht aussehen sollte:

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Zoos und deren Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt

Unbestritten gibt es viele Forschungsprojekte in Zoologischen Gärten, denn diese bieten natürlich optimale und weniger aufwendige Arbeitsbedingungen als in freier Wildbahn. Für die Verbesserung von Haltungsbedingen sind Untersuchungen in Gefangenschaft hilfreich, allerdings immer vorausgesetzt, dass das Wohl des einzelnen Tieres oberste Priorität hat, also keine Manipulationen oder Eingriffe durchgeführt werden. Ob aber die Resultate der Zooforschung immer für das entscheidenden Ziel des Artenschutzes der Tiere in ihren natürlichen Lebensräumen eine wichtige Rolle spielt, darf bezweifelt werden. Es besteht immer die Gefahr, dass sie nur Selbstzweck ist und keinen Nutzen für den Arterhalt in freier Wildbahn hat.  

Zoos als Wirtschaftsfaktor und Publikumsmagnet für Touristen

Zoos sind auch Wirtschaftsunternehmen, die auf große Besucherzahlen angewiesen sind. Auch wenn viele Zoos beträchtliche staatliche Zuschüsse erhalten spielt bei der Auswahl der gezeigten Arten daher sicherlich die Attraktivität für Besucher bzw. der Schauwert einer Art immer noch eine große Rolle. Auch Jungtiere sind große Publikumsmagneten und es ist kein Geheimnis, dass in manchen Zoologischen Gärten einige der herangewachsenen Tiere später getötet werden. Auch Erhaltungszuchten für bedrohte Arten nehmen nicht immer Rücksicht auf einzelne Individuen und nicht jedem Tier wird eine gute Lebensqualität geboten.

Probleme in europäischen Zoos

Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen sich an die Zoo-Richtlinie halten, die sicherstellt, dass Zoos zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen und der Aufklärung der Öffentlichkeit dienen. Zu den Anforderungen an die Zoos gehört es, die biologischen Bedürfnisse der Tiere zu erfüllen und einen Beitrag zur Erhaltung, Bildung und Forschung zu leisten.

In der Europäischen Union wurde die Zoo-Richtlinie im Jahr 1999 verabschiedet. Obwohl alle EU-Mitgliedstaaten die Zoo-Richtlinie umgesetzt haben, ist sie auch Jahre nach ihrem Inkrafttreten noch nicht von allen Mitgliedstaaten (vollständig) durchgesetzt worden. Das liegt daran, dass die lokalen Behörden die nationalen Zoogesetze in ihren Ländern nach eigenem Ermessen umsetzen.  

Häufig fehlt es an Know-how, und dem Zoopersonal werden keine Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Dies hat bereits dazu geführt, dass viele Zoos ihre Lizenzen für die Haltung von Wildtieren wie Bären, Löwen und Tigern verloren haben. Einige Zoos sind bereits seit Jahren geschlossen, während die Tiere noch immer dort sind und leiden. Andere Zoos bleiben geöffnet, arbeiten aber ohne Lizenz, oder sie haben sogar eine Lizenz erhalten, obwohl sie die Anforderungen nicht erfüllen.

Ein umfassender Report von VIER PFOTEN Bulgarien aus dem Jahr 2021 zeigt, dass die Richtlinie in diesem EU-Land nicht ausreichend umgesetzt wird und bestehende Vorgaben oft nicht eingehalten werden. Die Zoorichtlinie legt zwar auch fest, dass Tiere ihren biologischen Bedürfnissen entsprechend gehalten werden sollen, jedoch ist sie nur sehr allgemein formuliert und enthält keine konkreten Haltungsanforderungen oder Vorgaben zum Tierwohl, so dass den EU-Ländern ein weiter Interpretationsspielraum zur Verfügung steht.  

Zwischen 2015 und 2018 hat die EU-Kommission eine Bewertung der Zoo-Richtlinie (Refit) vorgenommen. Danach sei die Richtlinie grundsätzlich für ihren Zweck (Artenschutz, Bildung, Wissenschaft) geeignet, jedoch müsse die Umsetzung verbessert werden, damit Zoos in der gesamten EU effektiver und effizienter zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen können. Dafür wurde 2015 ein unverbindliches “Good practices“ Dokument veröffentlicht, dessen tatsächliche Wirkung aus unserer Sicht jedoch unklar bleibt.

Wie werden Zoos Tierschutzkonform?

Durch die Aufnahme verletzter, vernachlässigter und/oder verwaister Wildtiere und die Rettung von Tieren aus illegalem Handel und/oder unsachgemäßer Haltung können Zoos aktiv zu mehr Tierschutz weltweit beitragen.

Die Artenschutzbemühungen in Zoos müssen realistische Wiederansiedlungsperspektiven sowie die Unterstützung von Artenschutzprojekten in den Herkunftsländern bedrohter Arten (in situ) beinhalten. Die Besucher sollten über jede Tierart umfassend informiert und konkrete Handlungsoptionen für den Schutz der Biodiversität aufgezeigt werden.  

Indem Zoos verletzten oder verwaisten Wildtieren mit dem Ziel der späteren Freilassung Unterschlupf bieten und notleidende Tiere aus schlechten Haltungen (Zirkusse, Privathaltungen, mangelhafte Zoos etc.) aufnehmen, haben sie ein großes Potenzial, ein relevanter und glaubwürdiger Partner für den Tierschutz zu sein.

Alternativen zu Zoos

Eine tiergerechte Alternative sind beispielswiese seriöse Schutzzentren für Wildtiere, die Tieren, die aus schlechter Haltung stammen, ein artgemäßes und naturnahes Zuhause bieten.  

Lesen Sie hier mehr über unsere Schutzzentren.

Auch Lebenshöfe bzw. Gnadenhöfe für ehemalige landwirtschaftliche Nutztiere bieten die Möglichkeit, Tiere zu beobachten und gleichzeitig den respektvollen Umgang mit Tieren näherzubringen.  

Und natürlich kann jeder Spaziergang oder noch besser eine geführte Tour in der heimischen Natur spannende Erlebnisse bereithalten. Und es geht auch ohne lebende Tiere, denn Museen, TV-Dokumentationen, Webcams und andere Technologien ermöglichen es Wissen über Tiere eindrucksvoll zu vermitteln.  

WAS SIE TUN KÖNNEN? 

  • Vermeiden Sie Zoos mit schlechten Haltungsbedingungen, Interaktionen mit Wildtieren oder unkontrollierter Zucht.
  • Überprüfen Sie kritisch, welche Bildungs- und Artenschutzarbeit ein Zoo leistet.
  • Nehmen Sie niemals an Foto- oder Streichelgelegenheiten für Wildtiere teil.
  • Denken Sie darüber nach, wie Tiere den Zoo erleben. Für Sie ist es ein Tagesbesuch, für die Tiere ist es ein Leben lang.
  • Beschweren Sie sich bei unzureichenden Haltungsbedingungen direkt bei der Zooleitung und den zuständigen (lokalen) Behörden.
  • Informieren Sie sich über Projekte zum Schutz von Wildtierarten in ihrem Heimatland und unterstützen Sie diese.
  • Im Zweifel einen schlecht geführten Zoo nicht besuchen.  

 

Bär in einem winzigen Käfig in einem Zoo

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