Alternativen zur Schlachtung am Schlachthof
Bis vor Jahrzehnten war das Schlachten und Verarbeiten sogenannter Nutztiere noch Teil der Arbeit am landwirtschaftlichen Betrieb - eine Rückkehr zu diesem Ansatz könnte viel Tierleid mindern.
Früher mussten die Tiere nicht über weite Strecken vom Herkunftsbetrieb zu einem Schlachthof transportiert werden, sondern wurden in ihrem gewohnten Umfeld von den ihnen bekannten Personen an ein paar wenigen Tagen im Jahr geschlachtet. Im letzten Jahrhundert übernahmen lokale Metzger mehr und mehr diese Aufgabe. Heute sind überwiegend dezentrale große Schlachtbetriebe, in denen täglich mehrere hundert Tiere von Landwirten oder Transportfirmen angeliefert werden, mit den Aufgaben der Schlachtung und Fleischverarbeitung betraut.
Die Auswirkungen, die diese Entwicklung auf alle Arten der sogenannten Nutztiere haben, sind im Sinne des Tierschutzes mehr als problematisch. Beginnend beim Einfangen, Verladen über das Transportieren bis schlussendlich beim Betäuben und Schlachten treten massive tierschutzrelevante Übertritte auf.
Einer Vielzahl dieser gravierenden Probleme kann mit einer sogenannten mobilen Schlachtung entgegengewirkt werden.
Mobile Schlachtung
Die gesetzlichen Vorgaben für die Schlachtung von Schweinen und Rindern schrieben bis 2021 vor, dass keine bereits toten Tiere auf einem Schlachthof ankommen und dort verarbeitet werden dürfen. Dies nahm Landwirten die Möglichkeit, ihre Tiere am eigenen Betrieb selbst zu schlachten und ihr Fleisch dann an Endverbraucher weiterzugeben, wenn diese nicht über einen eigenen EU-zugelassenen Schlachtraum verfügten. Die Schlachtung für den Eigengebrauch war und ist hingegen schon immer am Hof möglich gewesen, sofern die ausführende Person über die notwendige Sachkunde verfügt hat.
Beim Geflügel ist die Sachlage etwas anders. Betriebe, die jährlich insgesamt weniger als 10.000 Stück Hühner, Enten, Gänse oder Puten schlachten, dürfen diese selbst schlachten und auch an Endverbraucher und die Gastronomie weitergeben1. Ein Verkauf an den Lebensmitteleinzelhandel ist allerdings nicht möglich.
Die Forderung nach Alternativen für eine Schlachtung von Rindern und Schweinen, die an Endverbraucher gehen sollten, wurde in den letzten Jahren von Seiten der Landwirte immer lauter.
Hoher Stressfaktor in den Stunden vor der Schlachtung
Generell ist es für jedes Tier mit einem hohen Stresspotential verbunden, wenn es seine gewohnte Umgebung und seine Herde verlassen muss. Verbringen Tiere aber noch dazu den Großteil ihres Lebens auf der Weide und haben wenig Kontakt zum Menschen, so kann es beim Verladen für Mensch und Tier äußerst gefährlich werden. Für Rinder, die es nicht gewohnt sind, angebunden und auf einen Anhänger verladen zu werden, bedeutet dies eine extreme Ausnahmesituation. Nicht nur, dass dies für den beteiligten Mensch und auch das Tier selbst gefährlich werden kann, auch die Fleischqualität leidet unter der Ausschüttung des Hormons Adrenalin2.
Mit einer sogenannten mobilen Schlachtung kann man die letzte Lebensphase eines Nutztieres deutlich stressfreier gestalten. Dazu gehören die beiden Formen Hofschlachtung und Weideschlachtung. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Arten der Schlachtung, hinter denen auch eigene gesetzliche Regelungen stehen.
Rind und Schwein
Bei der Hofschlachtung wird das Tier am Betrieb unter den auch im Schlachtbetrieb geltenden Bedingungen, wie z.B. Fixierung zur Betäubung, betäubt und entblutet.
Rechtliche Grundlage für die Hofschlachtung ist die Delegierte Verordnung (EU) 2021/1374 der Europäischen Kommission vom 12. April 2021, welche die EU-Verordnung 853/2004 für Lebensmittel tierischen Ursprungs um ein Kapitel erweitert hat und im September 2021 in Kraft getreten ist3.
Mit dieser Änderung wird es den EU-Mitgliedsstaaten möglich, mobile Schlachteinheiten für die Schlachtung von Schweinen, Rindern und Pferden an allen geeigneten Orten zuzulassen. Das Betäuben kann zum Beispiel im Stall im Fressgitter oder in einer Vorrichtung in einer zugelassenen Schlachtbox/in einem zugelassenen Schlachtanhänger/in einem zugelassenen Schlachtwagen erfolgen. Das Entbluten muss dann ebenso in dieser Schlachtbox oder dem Schlachtanhänger erfolgen. Bei der Schlachtung ist die Anwesenheit eines amtlichen Tierarztes vorgeschrieben. Innerhalb einer vorgegebenen Zeit ist dann das bereits tote Tier in einen EU-zertifizierten Schlachtraum oder Schlachthof zu verbringen, wo das Tier dann weiter zerlegt und verarbeitet werden kann.
Von einer Weideschlachtung wird gesprochen, wenn das Tier auf der Weide durch Kugelschuss (mit einem Gewehr) betäubt und anschließend an Ort und Stelle sofort entblutet wird. Der sogenannte Weideschuss ist nicht Teil der delegierten Verordnung und deutlich schwieriger möglich in Österreich. Um seine Tiere auf der Weide schießen zu dürfen, braucht es Ausnahmegenehmigungen.
In Deutschland werden bereits Alternativen zum Kugelschuss auf der Weide, auch für Schweine, eingesetzt. Dort werden die Tiere in eigens entwickelten Boxen, die auf der Weide aufgestellt werden, mit Fanggittern fixiert und mittels Bolzenschussgerät betäubt und anschließend entblutet.
Auch vor dieser Gesetzesänderung gab es bereits eine Handvoll Initiativen in Österreich, die über gesonderte Projekte Ausnahmegenehmigungen von den Behörden für eine Hofschlachtung erhielten.
Geflügel
Werden unter 10.000 Stück Geflügel pro Jahr selbst geschlachtet und an Endverbraucher sowie Gastronomie weitergegeben, so kann dies ein bäuerlicher Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen selbst tun4. Eine Schlachtung von mehr Tieren pro Jahr ist unter bäuerlichen Bedingungen nicht möglich und überschreitet oft auch die menschlichen Kapazitäten, da die Schlachtung am Betrieb händisch erfolgt.
Eine Weiterentwicklung der letzten Jahre, die diese Tätigkeit für die Landwirte vereinfachen soll, ist ein Schlachtmobil für Geflügel. Dieses ermöglicht eine hygienische Schlachtung am Betrieb unter den gesetzlichen Vorgaben, welche unter anderem Tierschutz und Hygiene betreffen5. Landwirte müssen sich ein solches Mobil nicht selbst kaufen, sondern können es, je nach Region, ausleihen.
Quellenverweis
2 Kiegerl, A. (2020). Initiativen für ein Schlachten in gewohnter Umgebung am Beispiel der stressfreien Hofschlachtung. Nutztierschutztagung (pp. 29-32). Raumberg-Gumpenstein: Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft.
3 European Union. (2022, 06 02). Delegierte Verordnung (EU) 2021/1374 der Kommission vom 12. April 2021. From EUR-Lex: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?toc=OJ%3AL%3A2021%3A297%3ATOC&uri=uriserv%3AOJ.L_.2021.297.01.0001.01.DEU. Zuletzt aufgerufen am 02.06.2022
5 Gesellschaft für Beratung zur mobilen Schlachtung mbH. (2022, 07 06). Mobile Schlachtung. From Geflügelschlachtung: https://www.mobile-schlachtung.at/