Was muss ein verwaister Orang-Utan lernen, um in der Wildnis zu überleben?
Bevor unsere geretteten Orang-Utans wieder in die freie Wildbahn entlassen werden können, müssen sie viel lernen, um ihr Überleben zu sichern
Orang-Utans bleiben lange bei ihren Müttern, bevor sie völlig unabhängig sind. In dieser Zeit müssen sie alle lebenswichtigen Fähigkeiten erlernen, die es ihnen ermöglichen, allein im Wald zu überleben. Dieses Wissen wird von der Mutter an das Kind weitergegeben. Wenn die Mutter jedoch stirbt, übernehmen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Rolle und zeigen ihnen alles was die Mutter tun würde.
Je nach Alter, psychologischem Zustand und Vorkenntnissen beginnen die verwaisten Orang-Utans auf verschiedenen Stufen des Rehabilitationsprogramms, wo sie das Überleben in der Wildnis lernen.
Futter finden
ist eine der wichtigsten Fähigkeiten für einen Orang-Utan, um im Wald selbstständig überleben zu können. Wildlebende Orang-Utans verzehren etwa 100-200 Nahrungsbestandteile - hauptsächlich Frugivoren. Aber sie fressen auch Blätter, Blüten, Mark, Stängel, Rindenkambium und Insekten. Deshalb müssen junge Orang-Utans lernen, was im Wald essbar ist, und die Pflanzen meiden, die ihnen schaden könnten. Sie müssen auch lernen, wo sie die Nahrung finden und wann die jeweilige Erntezeit ist.
Unsere Teams werden vor Ort in Botanik geschult, um die lokalen Pflanzenarten kennenzulernen und zu erfahren, welche davon für Orang-Utans unbedenklich sind. Anschließend müssen sie dieses Wissen an die Orang-Utans weitergeben, indem sie so vorgehen, wie es eine Orang-Utan-Mutter tun würde: Sie essen die Pflanzen vor den Augen der Orang-Utans, was die Orang-Utans neugierig macht und sie dazu bewegt ihre Ersatzmütter zu imitieren.
Gefahren erkennen
Unser oberstes Ziel ist es, Orang-Utans in ein Leben in freier Wildbahn zu entlassen. Für ihr Überleben ist es wichtig, dass sie nicht glauben, dass alle Menschen gut zu ihnen sind. Deshalb achten wir sehr darauf, dass die Orang-Utans außerhalb der Pfleger möglichst wenig mit Menschen in Kontakt kommen. Die Orang-Utans müssen lernen, zwischen vertrauten und vertrauenswürdigen Menschen und Fremden zu unterscheiden, die sie meiden müssen.
Außerdem müssen sie die Gefahren im Wald erkennen und wissen, wie sie diese vermeiden können, damit sie nicht in die Nähe von Schlangen oder gefährlichen Tieren kommen.
Wenn wir den Orang-Utans beibringen wollen, dass etwas eine Bedrohung darstellen könnte, machen wir es wie ihre Mütter: Wir verstecken uns oder versuchen, die Gefahr abzuwehren, indem wir an einem Baum oder einem Ast rütteln und warnende Orang-Utan-Rufe von uns geben.
Nestbau
Wilde Orang-Utans bauen fast täglich Nester, die sie nachts zum Schlafen oder tagsüber zum Ausruhen nutzen. Das Ausruhen im Nest auf den Bäumen bietet den Orang-Utans mehr Komfort und hilft ihnen bei ihrer geistigen und körperlichen Erholung während des Schlafs. Das Nest dient auch als Schutz vor Raubtieren, da es eine gewisse Tarnung bietet und sie hoch in den Bäumen sitzen.
Sie verringern auch das Risiko von lästigen Insekten, die Krankheiten wie Zecken oder Moskitos auf die Orang-Utans übertragen können. Außerdem sorgt das Nest für eine bessere Wärmeregulierung während des Schlafs.
Aus all diesen Gründen ist es auch wichtig, dass die verwaisten Orang-Utans lernen, wie man ein Nest baut und sich daran gewöhnt, inmitten von Blättern zu schlafen. Die Betreuer unterrichten die Orang-Utans täglich im Nestbau, indem sie ihnen den Nestbau vormachen und sie dazu ermutigen, ihn selbst durchzuführen.
Bewegen im Wald
Orang-Utans sind Baumprimaten, d. h. sie bewegen sich hauptsächlich auf Bäumen. Ihr Körper ist mit breiten Schultern, langen Armen und Füßen, die eher Händen ähneln, daran angepasst, sich an Ästen und Stämmen festzuhalten.
Die Waisenkinder brauchen die richtige Umgebung, in der sie üben können, wie sie sich in den Baumkronen bewegen können. Sie müssen lernen welche Äste für ihr Gewicht sicher sind und welche brechen könnten, sowie die sicherste Art, von einem Baum zum anderen zu gelangen. Deshalb ist unsere WALDSCHULE, die von unserem Partner Yayasan Jejak Pulang in Zusammenarbeit mit dem indonesischen Forstministerium geführt wird, die ideale Umgebung für sie, um diese Art der Fortbewegung zu erlernen. Wir als Menschen können ihnen das nicht wirklich beibringen, aber was wir tun können, ist, mit einer sicheren Kletterausrüstung hoch oben auf den Bäumen zu sein und die Orang-Utans zu ermutigen, oben auf den Bäumen zu bleiben, um diese Art der Fortbewegung in den Bäumen zu üben.
Sozialisierung untereinander
Auch wenn Orang-Utans als halbsolitäre Tiere bekannt sind, haben sie in freier Wildbahn auch soziale Kontakte. Die Entwicklung sozialer Fähigkeiten ist für sie ebenfalls wichtig, damit sie in freier Wildbahn mit anderen Orang-Utans leben können. Es ist essentiell, dass sie nicht nur Erfahrungen mit gleichaltrigen Orang-Utans machen, um zu spielen und die Umgebung zu erkunden, sondern auch mit älteren und jüngeren Orang-Utans. So lernen sie, die Körpersprache zu deuten und zu erkennen, wann sie der stärkere oder der schwächere Spielgefährte sind.
Sie können auch überlebenswichtige Fähigkeiten wie Nestbau, Fortbewegung oder Nahrungssuche von anderen Orang-Utans lernen. Deshalb mischen wir in der WALDSCHULE manchmal Individuen verschiedener Stufen, immer unter der Aufsicht der Leihmütter. Durch diese Erfahrungen mit anderen Orang-Utans können sie nicht nur ihre sozialen Fähigkeiten entwickeln, sondern auch von anderen Orang-Utans lernen.
Der Orang-Utan Kuss-Quietsch-Ruf
Die verwaisten Orang-Utans müssen lernen, die Bedeutung der natürlichen Orang-Utan-Rufe zu erkennen und den Unterschied zwischen einem spielerischen und einem aggressiven oder einschüchternden Laut zu erkennen. Die Pfleger lernen das typische Repertoire an Orang-Utan-Rufen, das von Forschern definiert wurde, und setzen sie in den richtigen Situationen ein.
Eine sehr wichtige Vokalisation für Orang-Utans ist zum Beispiel das sogenannte "Kussquietschen". Dieser Laut ähnelt dem menschlichen Kusslaut, allerdings können Orang-Utans damit ihre Dominanz untereinander, gegenüber Raubtieren oder anderen gefährlichen Tieren demonstrieren, um sie zu verunsichern oder zu verscheuchen. Sie können dieses Geräusch sogar mit einer Handbewegung oder Blättern auf den Lippen begleiten, um es noch lauter zu machen.
Daher ist es sehr wichtig, dass die Pfleger diesen Laut im richtigen Kontext verwenden, damit die Orang-Utans lernen, ihn als Einschüchterungslaut und gegenüber Raubtieren als Freundschaftslaut zu verstehen.
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